Mehr rechte Vorfälle bei Berliner Registerstellen gemeldet

Die Berliner Registerstellen haben im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand an rechten, rassistischen und diskriminierenden Vorfällen in der Bundeshauptstadt erfasst. Im Durchschnitt seien 14 Vorfälle pro Tag gemeldet worden, sagte Projektleiterin Kati Becker am Donnerstag in Berlin. Insgesamt erfassten die Meldestellen 5.286 Vorfälle (2022: 4.156). Die Zahl der antisemitischen Vorfälle stieg demnach auf 1.113 (2022: 810). Rund 60 Prozent davon wurden nach dem 7. Oktober 2023 erfasst, dem Tag des terroristischen Hamas-Angriffs auf Israel.

Dokumentiert werden Vorfälle mit rechtsextremem, rassistischem, antisemitischem, queerfeindlichem, behindertenfeindlichem, sozialchauvinistischem oder anti-feministischem Hintergrund. Die Bandbreite der gemeldeten Fälle reiche von Gewalt über strukturelle Benachteiligung bis hin zu Sachbeschädigungen, hieß es. Die Zahlen seien in den Innenstadtbezirken wegen Demonstrationen, auf denen israelfeindlicher Antisemitismus geäußert wurde, deutlich höher als in Randbezirken.

Rund die Hälfte der Meldungen falle mit 2.865 Fällen in die Kategorie Propaganda (2022: 2.459 Fälle). Beleidigungen und Bedrohungen machten mit 1.029 Fällen 19 Prozent aus (2022: 657 Fälle). Knapp 30 Prozent aller Vorfälle seien rassistisch motiviert gewesen (2023: 1.459, 2022: 1.132). LGBTQ-feindliche Vorfälle hätten sich im Vergleich zum Vorjahr mit 464 nahezu verdoppelt. Die Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans- und intergeschlechtlich und queer.

Besorgniserregend sei die Zunahme von Diskriminierung im Internet, hieß es. Die Berliner Registerstellen forderten vor diesem Hintergrund eine Stärkung der Strafverfolgung durch bessere Anerkennung von Hasskriminalität sowie Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Becker warnte, „Hass im Netz führt zu Hass auf der Straße“. Nötig seien neue Formate für politischen Dialog. Dabei müsse es auch um die Frage gehen, wie Parteien direkten Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern aufnehmen könnten.

Die Projektleiterin der Beratungsstelle L-Support für queere Gewaltopfer, Anne Schaar, sagte, das Dunkelfeld bei LGBTQ-feindlichen Vorfällen betrage vermutlich 90 Prozent: „Die bekannten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs.“ In den vergangenen Jahren sei die Hemmschwelle, zu beschimpfen oder Gewalt anzuwenden, deutlich gesunken. Die Vorfälle ereigneten sich zumeist im öffentlichen Raum, wie dem öffentlichen Nahverkehr.

Der Berliner Landesvorsitzende der Grünen, Philmon Ghirmai, erklärte, der Anstieg der dokumentierten Diskriminierungsfälle sei verheerend. „Antisemitismus und Rassismus bleiben in Berlin ein grassierendes Problem, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit nehmen zu“, beklagte er. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Landesregierung stünden in der Pflicht, für die Sicherheit aller Berlinerinnen und Berliner zu sorgen.

Seit 2017 erfassen die Berliner Registerstellen stadtweit Vorfälle, veröffentlichen sie und werten aus. Ziel der Dokumentation ist es, alltägliche Formen von Diskriminierung sichtbar zu machen, um Gegenstrategien entwickeln zu können.