Mehr Abschiebungen aus NRW: Beobachter mahnen Wahrung von Rechten an

Die rheinische Kirche und die Diakonie RWL fordern, angesichts eines verstärkten politischen Abschiebedrucks den Schutz der Betroffenen im Blick zu behalten. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der per Flugzeug aus Nordrhein-Westfalen abgeschobenen Menschen um 45 Prozent auf 2.470 gestiegen, heißt es im Jahresbericht 2023 der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung, der am Dienstag von der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe (RWL) veröffentlicht wurde. 2022 seien es noch 1.701 Menschen gewesen. Bei den stichprobenartigen Beobachtungen der Abschiebungen seien 74 problematische Fälle aufgefallen.

Vom Düsseldorfer Flughafen wurden laut Bericht mit 1.442 die meisten Abschiebungen in NRW durchgeführt. Mit 1.496 Menschen seien die meisten bei Sammelmaßnahmen aus NRW abgeschoben worden, weitere 974 mit Linienflügen.

Zu den problematischen Fällen zählten laut den Beobachterinnen und Beobachtern etwa getrennte Familien oder Kinder, die erlebt hätten, wie ihre Eltern gefesselt wurden. Auch Schwangere seien trotz Bedenken an ihrer Reisefähigkeit abgeschoben worden. Trotz der Diskussionen im Forum Flughäfen in Nordrhein-Westfalen (FFiNW), seien einzelne umstrittene Themen bislang aus Sicht der Beobachtung nicht gelöst worden, hieß es. In dem Gremium tauschen sich Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen über den Vollzug von Flugabschiebungen aus.

So hätten Beamtinnen und Beamte teils nur unzureichend den Einsatz von Zwangsmaßnahmen gegenüber der Abschiebungsbeobachtung begründen können, hieß es in dem Bericht. Zudem wird eine teils unzureichende medizinische Betreuung während der Abschiebungen und fehlende Übersetzung bei Einzelabschiebungen kritisiert.

„Angesichts der Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie der politischen Diskussion über vermehrte Abschiebungen ist es umso wichtiger, den Schutz der Betroffenen im Blick zu behalten“, erklärten die Abschiebungsbeobachter Judith Fisch und Mert Sayim. Bestehende Standards müssten konsequent eingehalten und Defizite durch Gesetzesänderungen verbessert werden.

Der Moderator des Forums Flughäfen in NRW (FFiNW), der rheinische Kirchenrat Rafael Nikodemus, warnte, der politische Wille, mehr Menschen abzuschieben, erzeuge Druck bei den entsprechenden Behörden. „Hier gilt es wachsam zu sein, dass humanitäre Errungenschaften nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden“, betonte Nikodemus. Die Evangelische Kirche im Rheinland werde weiterhin für einen sensiblen Umgang bei der Abschiebung Kranker, bei Familientrennungen und der Beachtung des Kindeswohls eintreten. „Hier sehen wir auch erheblichen politischen Handlungsbedarf.“

Ein Vertreter des NRW-Integrationsministeriums betonte, dass Rückführungen und freiwillige Rückkehr Teil einer rechtsstaatlichen Migrationspolitik sind. Für alle Beteiligten stelle die Umsetzung von Abschiebungen „eine große Herausforderung“ dar. Es gelte, jedem Einzelfall gerecht zu werden. Das Ministerium arbeite an einer kontinuierlichen Optimierung der Standards im Rückführungsbereich. Dafür seien die Beobachtungen und Hinweise der Abschiebebeobachtung wichtig.

Das Forum Flughäfen in NRW wurde im Jahr 2000 gegründet. Diesem sind angeschlossen das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, die Bundespolizeiinspektionen der Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn, Bundespolizeidirektion St. Augustin, die Zentralen Ausländerbehörden, die Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt (Moderation), das Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (stellvertretende Moderation), das Katholische Büro NRW, die Landesgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Pro Asyl, die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR und Amnesty international.

2001 wurde eine Abschiebungsbeobachtung an den Flughäfen in NRW, vorrangig für den Flughafen Düsseldorf, eingerichtet. Diese ist bei der Diakonie RWL angesiedelt. Die Abschiebungsbeobachter haben eine beratende Funktion im Forum Flughäfen NRW.