Medienverbandschef: Politik interessiert sich nicht für freie Presse
Der Chef des Medienverbandes der freien Presse, Philipp Welte, kritisiert die deutsche Politik für ihren Umgang mit unabhängigem Verlagsjournalismus. Sie interessiere sich „kein bisschen dafür“, wie die Zukunft der freien Presse in Deutschland aussieht, sagte Welte im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ (Mittwoch). Sein Gefühl sei, dass die Politik „nicht annähernd versteht, welche Relevanz der unabhängige, verantwortliche Journalismus der Verlage für die Stabilität unserer Demokratie und den Pluralismus einer offenen Gesellschaft hat“, sagte Welte.
Politiker hätten etwa zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes begeistert über die Presse- und Meinungsfreiheit gesprochen, „um kurz danach die lange versprochene Förderung der unabhängigen periodischen Presse in Deutschland heimlich, still und leise zu kassieren“, kritisierte Welte. Der Verbandschef und Burda-Vorstand erinnerte daran, dass zwei Drittel der 36.000 festangestellten Redakteurinnen und Redakteure in Deutschland für freie unabhängige Verlage arbeiteten.
Die deutsche Verlagslandschaft werde heute zwischen zwei Blöcken zerrieben: den US-amerikanischen und chinesischen Technologiegiganten auf der einen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der anderen Seite. Letzterer „drückt mit seiner gigantischen ökonomischen Macht und presseidentischen Produkten in alle digitalen Kanäle und nimmt den privaten Unternehmen dort die Luft zum Atmen“. Politik und konkret die Länder müssten darüber diskutieren, was genau der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien ist.
Welte ging auch auf die Kommunikation von Politikern ein: „Es ist für Politiker deutlich weniger anstrengend, ihre Botschaften über soziale Medien zu verbreiten, als sich mit Journalisten auseinanderzusetzen, die unbequeme Nachfragen stellen und nachhaken.“ TikTok frage nicht nach, „das ist eine lupenreine Manipulationsmachine“. Solche Medien würden nie die Wirklichkeit in Politik und Medien wiedergeben. „Genau das zu tun ist Aufgabe der freien Presse, und die ist ausgerechnet jetzt in einer kritischen Phase unserer Demokratie so bedroht wie nie“, befand Welte.