Jan Fleischhauer sieht im Fall Aiwanger „doppelte Standards“
„Focus“-Kolumnist Jan Fleischhauer hat die „Süddeutsche Zeitung“ für deren Verdachtsberichterstattung in der Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger scharf kritisiert. Das Publikum habe ein Gespür für „doppelte Standards“ und reagiere entsprechend sensibel, wenn diese zur Anwendung kämen, sagte Fleischhauer bei einer Diskussionsrunde am Freitag in München.
„Eine Zeitung lebt vom Ruf, den sie verbreitet“, auch unter Politikern, sagte Fleischhauer. Was den Respekt und die Ehrfurcht vor der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) angehe, habe den noch niemand so „zerdeppert“ wie die aktuelle Chefredaktion.
Dieser Einschätzung widersprach in der Debatte der Vorsitzende des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV), Harald Stocker, vehement. Die Verdachtsberichterstattung sei ein normales journalistisches Mittel. Der gesellschaftliche Auftrag von Journalistinnen und Journalisten sei es, das öffentliche Informationsbedürfnis zu befriedigen. Man müsse also klären, ob ein solches Bedürfnis vorliege. Das war im Fall Aiwanger aus Sicht Stockers zweifelsfrei vorhanden.
Aiwanger, der stellvertretender bayerischer Ministerpräsident sowie Bundes- und Landesvorsitzender der Freien Wähler ist, steht im bayerischen Landtagswahlkampf wegen eines antisemitischen Flugblattes unter Druck, das in seiner Schulzeit in seiner Tasche gefunden wurde. Er bestreitet, der Urheber zu sein. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe durch die SZ-Recherchen erklärte Aiwangers Bruder Helmut, er habe das Flugblatt verfasst.
Der Würzburger Rechtsanwalt und Medienrechtsexperte Chan-jo Jun sagte, aus juristischer Sicht brauche man für eine wasserdichte Verdachtsberichterstattung sogenannte Anknüpfungstatsachen. Im Fall Aiwanger habe die „Süddeutsche Zeitung“ neben dem Flugblatt und einem Gutachten zu der dafür verwendeten Schreibmaschine auch die Aussagen von Lehrern und Schülern gehabt. „Wahrscheinlich war das juristisch in Ordnung“, sagte der Jurist. Ob die Veröffentlichung politisch klug gewesen sei, sollten andere bewerten.
„Bunte“-Reporter Manfred Otzelberger gab zu bedenken, dass es „bis heute keine juristischen Schritte gegen die ‚Süddeutsche Zeitung‘ von Aiwanger gegeben hat“, obwohl er diese bereits vor einer Veröffentlichung angedroht hatte. „Da müsste er sich ja selbst erklären“, das wolle er aber offenbar nicht.