Massaker der Junta und Appelle für internationale Aufbauhilfe

Myanmar liegt laut Experten im Zentrum geopolitischer Trends. Der Westen müsse daher jetzt mit einer Unterstützung des demokratischen Wiederaufbaus im lange außenpolitisch vernachlässigten Myanmar neue Relevanz gewinnen.

Myanmars zivile Regierung der Nationalen Einheit (NUG) hat ein Massaker der Militärjunta an 32 Menschen in der Region Sagaing als weiteres Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Junta-Truppen beschossen am Donnerstag in den frühen Morgenstunden das Dorf Lethtoketaw und töteten sechs Menschen, wie das birmanische Exilnachrichtenportal Irrawaddy berichtete. Später am Tag seien Soldaten in das Dorf eingedrungen und hätten 25 Männer und Frauen, die sich in einem buddhistischen Kloster versteckten, mit Kopfschüssen hingerichtet. Anschließend habe das Militär das gesamte Dorf und zwei buddhistische Klöster niedergebrannt.

Laut einem im März von der Denkfabrik “Nyan Lynn Thit Analytica” veröffentlichten Bericht hat das Militär seit dem Putsch von 2021 mindestens 210 Massaker verübt und dabei mehr als 2.000 Menschen getötet. “Nyan Lynn Thit Analytica” ist 2017 aus der demokratischen “All Burma Federation of Student Union” hervorgegangen.

Angesichts anhaltender militärischer Erfolge ethnischer Milizen sowie der “Volksverteidigungsarmee” der NUG beschäftigen sich zunehmend internationale Denkfabriken mit Myanmars Zukunft. “In einer Zeit, in der die Schlagzeilen vom Ukraine-Krieg und vom Nahost-Konflikt beherrscht werden, gehört Myanmar weiter zu den vergessenen Konflikten der Welt. Das Land der Schauplatz der schwersten humanitären Krise in der strategisch wichtigen Indopazifik-Region”, heißt es in der aktuellen Lageanalyse “Myanmar am Wendepunkt” von German Solidarity Myanmar (GSM).

Weiter schreiben die Autoren, nach der demokratischen Öffnung zwischen 2012 und 2021 stehe Myanmar nun exemplarisch für den Aufstieg autoritärer Regime und eine weltweite Krise der Demokratie. “Das Land ist ein Hotspot für Trends, die vom Klimawandel und dem Verlust biologischer Vielfalt bis zum religiösen Extremismus und von Flüchtlingsbewegungen bis zum internationalen Drogenhandel reichen.”

Anders als in Syrien, Jemen und Sudan führe die Widerstandsbewegung Myanmars keinen Stellvertreterkrieg, sondern sei ganz auf sich allein gestellt, so die Myanmar-Experten. Sie warnen: “Die internationale Gemeinschaft ignoriert Myanmar also auf eigene Gefahr.” GSM wurde 2023 von Deutschen gegründet, von denen viele in Myanmar gelebt und in Entwicklungshilfe, Wirtschaft oder Kulturszene gearbeitet haben.

In der jüngsten Analyse der australischen Denkfabrik “Lowy Institut” heißt es, mit dem Zurückweichen des Militärstaates hätten Anti-Junta-Kräfte begonnen, staatsähnliche Strukturen aufzubauen und in den befreiten Gebieten öffentliche Dienstleistungen zu erbringen. “Nachdem sich westliche Regierungen in den vergangenen drei Jahren schwergetan haben, effektiv auf den Konflikt zu reagieren, haben sie nun die Chance, durch die Unterstützung dieses parallelen Staatsaufbaus ihre Bedeutung für die künftige Entwicklung Myanmars wiederherzustellen”, so das Fazit der Studie “Empörung ist keine Politik – Sich mit Myanmars fragmentiertem Staat abfinden”.