Marktkirche in Hannover bekommt ihr Reformationsfenster

Überraschende Wende im Prozess um das Reformationsfenster des Künstlers Markus Lüpertz: Nach langem Rechtsstreit finden beide Seiten vor dem Oberlandesgericht Celle einen Kompromiss.

Künstler Markus Lüpertz (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder begutachten das Fenster in der Glasmanufaktur "Derix Glasstudios" in Taunusstein bei Frankfurt
Künstler Markus Lüpertz (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder begutachten das Fenster in der Glasmanufaktur "Derix Glasstudios" in Taunusstein bei FrankfurtDerix Glasstudios

Celle / Hannover. Das von Altbundeskanzler Gerhard Schröder gestiftete Reformationsfenster für die Marktkirche in Hannover kann eingebaut werden. Vor dem Oberlandesgericht in Celle haben sich der Architekten-Erbe Georg Bissen und die Marktkirchen-Gemeinde überraschend auf einen Vergleich geeinigt. Danach verpflichtet sich die Marktkirche, neben dem von dem Künstler Markus Lüpertz entworfenen Fenster ein gut sichtbares Schild anzubringen, das auf den Wiederaufbau der zerstörten Kirche durch den Architekten Dieter Oesterlen nach dem Zweiten Weltkrieg hinweist. Mit dem Vergleich geht ein langer Kunststreit zu Ende, der zuletzt auch gerichtlich ausgefochten worden ist.

Bissen hatte gegen den geplanten Einbau des zwölf Meter hohen Buntglasfensters geklagt, weil es aus seiner Sicht den durch Oesterlen geschaffenen schlichten Raumeindruck entstellen würde. In erster Instanz hatte das Landgericht Hannover im Januar jedoch die Klage abgewiesen. Auch Richter Matthias Wiese vom Oberlandesgericht Celle ließ bei der mündlichen Berufungsverhandlung durchblicken, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirche in diesem Fall höher zu gewichten sei als das Urheberrecht des Nachkriegsarchitekten. Er schlug deshalb eine gütliche Einigung vor.

Schild weist auf Fenster hin

Das neben dem Fenster angebrachte Schild muss dem Vergleich zufolge darauf hinweisen, dass Oesterlen durch seine Gestaltung die „großartige Einfachheit“ der spätgotischen Hallenkirche betont habe. „Dies ist ihm in bemerkenswerter Weise gelungen“, heißt es in dem verabredeten Text. Das Reformationsfenster sei nicht Teil dieser Konzeption. Alle Besucher seien eingeladen, den Innenraum auf sich wirken zu lassen.

Ortstermin in der Marktkirche: Richter Florian Wildhagen schaut genau hin, auch der Erbe des Architekten, Georg Bissen, ist gekommen
Ortstermin in der Marktkirche: Richter Florian Wildhagen schaut genau hin, auch der Erbe des Architekten, Georg Bissen, ist gekommenJens Schulze / epd

Vertreter der Marktkirche und der Kläger Bissen reichten sich nach der Verhandlung die Hände. Der Kirchenvorstandsvorsitzende Martin Germeroth zeigte sich erleichtert über den gefundenen Kompromiss „Für uns beginnt die Arbeit jetzt erst richtig.“ Marktkirchen-Pastor Marc Blessing sprach von einem „salomonischen Urteil“, das auch die Interessen der anderen Seite berücksichtige: „Der wunderbare Raum von Oesterlen hält es aus, dass da auch dieses Fenster drin ist.“

Bissen sagte, er bleibe bei seiner Meinung, dass das Fenster den Raumeindruck zerstöre. „Ich bin aber realistisch genug zu sehen, was möglich ist und was nicht. Das Schild ist immerhin ein Trostpflaster.“


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Das Buntglasfenster zeigt mehrere Motive mit Bezug zur Reformation – unter anderem eine große weiße Figur, die den Reformator Martin Luther darstellen soll. Für kontroverse Diskussionen sorgen vor allem fünf große schwarze Fliegen, die für das Böse und die Vergänglichkeit stehen. Die Glasmanufaktur Derix im hessischen Taunusstein hat das Kunstwerk bereits fertiggestellt. Der Einbau solle voraussichtlich im kommenden Jahr vollzogen werden, heißt es aus der Gemeinde.

Die Kosten für den Bau des Fensters werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Schröder, Ehrenbürger von Hannover, hat sie bereits beglichen – er wollte dafür Vortragshonorare weitergeben. Anlass für das Geschenk war das Reformationsjubiläum 2017. Die im 14. Jahrhundert errichtete Marktkirche ist die größte und eine der ältesten Kirche in Hannover und gilt als ein Wahrzeichen der Stadt. (epd)