Marktkirche baut Reformationsfenster nicht ein

Vor fünf Jahren hat Altkanzler Gerhard Schröder der Marktkirche in Hannover Geld für ein neues Buntglasfenster gestiftet. Doch nun stoppt die Kirche den Einbau.

Altkanzler Schröder bei einer Brügerpredigt auf der Kanzel der Marktkirche im Juli 2014
Altkanzler Schröder bei einer Brügerpredigt auf der Kanzel der Marktkirche im Juli 2014Jens Schulze / epd

Hannover. Die Marktkirche in Hannover wird das von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gestiftete „Reformationsfenster“ zunächst nicht einbauen. „Wir setzen den Einbau des Fensters bis auf weiteres aus“, sagte der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Martin Germeroth, in Hannover. Angesichts der Haltung des Altbundeskanzlers zum gegenwärtigen Ukraine-Krieg sehe sich der Kirchenvorstand nicht mehr in der Lage, die finanzielle Förderung für das Kunstwerk anzunehmen. Das umstrittene Fenster des Künstlers Markus Lüpertz, das bereits fertiggestellt ist, sollte eigentlich im Laufe des Jahres eingebaut werden.

Marktkirchen-Pastor Marc Blessing betonte, die mangelnde Distanzierung Schröders von der völkerrechtswidrigen und menschenrechtsverletzenden Kriegspolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei „unvereinbar mit dem friedensethischen Engagement der Marktkirche“. Vor der mittelalterlichen Backsteinkirche hatte in der vergangenen Woche eine große Demonstration gegen den Ukraine-Krieg stattgefunden, zuvor gab es in der Kirche ein Friedensgebet. Schröder ist in mehreren verantwortlichen Funktionen für russische Energiekonzerne tätig.

Spenden gehen zurück

Die von Schröder vermittelten Spendengelder sollten zurückgegeben werden, sagte Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. Schröder hatte die Spenden von Privatfirmen und Verbänden vor fünf Jahren vermittelt, um das Kunstwerk in Auftrag geben zu können. Die Entscheidung im Kirchenvorstand sei einmütig gefallen, betonten die Marktkirchen-Vertreter. Schröder sei bereits informiert und habe den Beschluss zur Kenntnis genommen.

Künstler Markus Lüpertz (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder begutachten das Fenster in der Glasmanufaktur "Derix Glasstudios" in Taunusstein bei Frankfurt
Künstler Markus Lüpertz (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder begutachten das Fenster in der Glasmanufaktur "Derix Glasstudios" in Taunusstein bei FrankfurtDerix Glasstudios

Das 13 Meter hohe Buntglasfenster zeigt eine große weiße Figur, die den Reformator Martin Luther darstellen soll, sowie andere Motive mit Bezug zur Reformation. Für kontroverse Diskussionen sorgen vor allem fünf große schwarze Fliegen, die für das Böse und die Vergänglichkeit stehen. Schröder hatte das Kunstwerk der Marktkirche anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 als Ehrenbürger von Hannover zum Geschenk gemacht. Die Kosten werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Erst vor drei Monaten hatte ein Gericht nach langem Streit um Urheberrechte entschieden, dass das Fenster eingebaut werden darf.

Es soll nun zunächst weiter in der Glasmanufaktur Derix im hessischen Taunusstein lagern, wo es hergestellt wurde. Es befindet sich formal im Eigentum der Marktkirche, die es in Auftrag gegeben und die Rechnungen aus den Spenden bezahlt hatte. Die Kirche werde nun die Spenden rückabwickeln und bleibe dann auf einer Finanzierungslücke sitzen, erläuterte Müller-Brandes. Offen sei zurzeit, wie diese Lücke gefüllt werde. Offen bleibe zudem, ob und wann das Fenster doch noch irgendwann eingebaut werden könne.


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Schröder (77) ist unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und nimmt Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2 ein. Nach dem Start des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte er die russische Regierung aufgefordert, den Krieg „schnellstmöglich“ zu beenden.

Trotz mehrfacher Aufforderungen hat er seine Tätigkeiten für russische Unternehmen bislang aber nicht niedergelegt. Die Stadt Hannover will ihm deswegen die Ehrenbürgerwürde entziehen. Die im 14. Jahrhundert errichtete Marktkirche ist die größte und eine der ältesten Kirchen in Hannover und gilt als ein Wahrzeichen der Stadt. (epd)