Fünf Jahre nach dem Beginn der weltweiten Coronavirus-Pandemie stellt Covid-19 die Wissenschaft nach Aussage des Mainzer Virologen Bodo Plachter weiterhin vor viele Rätsel. „Ehrlich gesagt sind bezüglich Long Covid noch viele Fragen offen“, sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „An diesem Thema wird intensiv geforscht.“ Die Corona-Krise habe die auch in Teilen der Fachwelt verbreitete Ansicht widerlegt, dass Infektionskrankheiten dank des medizinischen Fortschritts weitgehend ihren Schrecken verloren hätten.
„Kein Virologe hätte gedacht, dass eine Pandemie in solchem Ausmaß auftreten würde“, sagte der Leiter des Instituts für Virologie an der Mainzer Universitätsmedizin. „Eine derart schnelle Ausbreitung einer schweren Infektionserkrankung hat niemand erwartet.“
Während der Pandemie gehörte auch Plachter zum Beraterkreis der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Dass die Ansichten von Wissenschaftlern bei den damals getroffenen Beschlüssen immer ernst genommen worden seien, wertet er positiv. Allerdings sei ihm auch immer klar gewesen, dass nicht die Virologen alleine über die Maßnahmen bestimmen konnten: „Wissenschaftler sind keine politischen Entscheider, dies sollte bei der Beratung berücksichtigt werden.“ Neben medizinischen Gesichtspunkten hätten immer auch vielschichtige Folgen berücksichtigt werden müssen, etwa Folgen geschlossener Schulen für Kinder und Jugendliche oder der Druck, den die Entscheidungen anderer Bundesländer erzeugt hätten.
Den Erfolg der deutschen Pandemie-Politik im Vergleich mit anderen Ländern zu bewerten, sei extrem schwierig, sagte Plachter: „Es ist immer auch eine gesellschaftliche Frage, welche Maßnahmen und Risiken man bereit ist zu akzeptieren.“ Andere Länder seien teils zu anderen Ergebnissen gekommen, hätten die Eigenverantwortung der Bevölkerung höher eingestuft, damit aber beispielsweise auch erzwungenermaßen eine höhere Sterblichkeit bei Älteren oder Heimbewohnern in Kauf genommen.
Grundsätzlich sei das Vorgehen der Behörden richtig gewesen: „Zu Beginn eines Ausbruchs ist vieles unklar. Daher ist es gerechtfertigt, zunächst eingreifende Maßnahmen wie komplette Lockdowns zu verfügen“, betonte der Mediziner. Es sei wichtig, Maßnahmen anzupassen, wenn mehr Erkenntnisse über den Erreger vorliegen.
Auch in Zukunft sei immer wieder mit der Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten zu rechnen. Eine umfassende Vorbereitung auf alle denkbaren Szenarien könne niemand gewährleisten, dies sei auch für keine Gesellschaft finanzierbar. Dazu seien die Erreger, Ansteckungswege und Gefährlichkeit viel zu unterschiedlich. Eine wichtige Lehre aus der Pandemie sei die Erkenntnis, dass die Produktion wichtiger medizinischer Produkte nicht komplett ins Ausland verlagert werden dürfe, damit in Krisenzeiten schneller gehandelt werden könne.