Magaard: „Ich brauche kein 100-Tage-Programm für den Ruhestand“

Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard (67) wird am 8. Oktober nach 14 Jahren bischöflicher Arbeit in den Ruhestand verabschiedet. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht er über seine Pläne als Rentner, die Flüchtlingskrise und warum die Coronapandemie für ihn die größte Herausforderung war.

epd: Bischof Magaard, wie geht es Ihnen mit dem bevorstehenden Ruhestand?

Magaard: Gemischt. Einerseits verlasse ich ein wunderbares Amt und erlebe gerade eine sehr verdichtete Zeit mit vielen Abschieden. Andererseits ist es ein gutes Gefühl, diese große Verantwortung nun weiterzugeben. Ich freue mich auf das, was kommt.

epd: Und was wird das sein?

Magaard: Mehr Freiheit, mein Leben zu gestalten und nicht mehr so eine enge terminliche Taktung zu haben. Ich möchte mehr Zeit haben für Familie und Freunde. Ich habe immer gern fotografiert und möchte da tiefer einsteigen. Ich habe angefangen, mich mit Bienen zu beschäftigen und mich für einen Grundkurs für Imker angemeldet. Bogenschießen, Radfahren und Singen im Chor gehören auch zu meinen Hobbys, für die ich in der Vergangenheit nicht viel Zeit hatte. Aber ich brauche kein 100-Tage-Programm für den Ruhestand, ich möchte da erst mal ankommen.

epd: Werden wir denn künftig noch von Ihnen hören oder lesen?

Magaard: Ich habe mir vorgenommen, im ersten halben Jahr meines Ruhestands nicht öffentlich in Erscheinung zu treten. Es muss klar sein: Meine Nachfolgerin Nora Steen wird dann die bischöflichen Aufgaben wahrnehmen. Vorher werde ich aus diesem Amt in einem Gottesdienst entpflichtet und gebe mein Amtskreuz zurück. Das sind Rituale und Hilfen auf dem Weg, sich aus einem Amt zu verabschieden.

epd: Was war in Ihrer 14-jährigen Amtszeit die größte Herausforderung?

Magaard: Die Coronapandemie. Das war eine extrem belastende, herausfordernde, verunsichernde Zeit. Wir mussten viel beraten, informieren und kirchliche Feste ohne Präsenzgottesdienste feiern. Kirchliche Arbeit besteht aus persönlichen Kontakten, Begegnung, Singen und Abendmahl. All das ging nur noch unter großen Einschränkungen oder gar nicht. In der ganzen Zeit haben wir den Kontakt zu den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern gehalten. Ziemlich zu Beginn der Pandemie habe ich einen Brief an den damaligen Gesundheitsminister Heiner Garg geschrieben, weil nicht einmal mehr die Krankenhausseelsorger zu den Sterbenden durften.

epd: Hat Ihr Brief damals was geändert?

Magaard: Ob der allein weiß ich nicht, aber die Regeln wurden dann gelockert. Es gab viele solche Beispiele. Der Zutritt zu den Pflegeheimen etwa. Es ging für uns um die Frage: Wo sind Menschen besonders isoliert? Wie können wir uns um sie kümmern, ohne dass wir sie gefährden? Ich erinnere mich heute noch an die Angst, dass Menschen durch mich gefährdet werden könnten. Wir haben im Juni 2020 eine große Gruppe zu ordinierender Pastorinnen und Pastoren gehabt, 15 an der Zahl. Die haben wir in fünf Gottesdiensten eingesegnet, mit wenig Menschen, mit Abstand, ohne Singen. Viele Kirchengemeinden haben in dieser Zeit viele neue Ideen entwickelt, Online-Gottesdienste, kleine Texte und Andachten für zu Hause oder über Telefon.

epd: Die Kirchen wurden während der Coronapandemie auch immer wieder kritisiert für ihre angeblich zu schwache Haltung. Wie beurteilten Sie das rückblickend?

Magaard: Wir konnten nicht anders handeln, mit dem Wissen und dem Regelwerk von damals. Wenn wir einen Freiraum für Gottesdienste beansprucht hätten, hätten wir sicher viele Menschen gefährdet. Das mussten wir bitter lernen. Wir waren in einem engen Austausch mit der Landesregierung. Über diesen Austausch haben wir an manchen Stellen nicht genug informiert. Wir haben uns für die besonders betroffenen Gruppen massiv eingesetzt. Auch für Spielräume bei Gottesdiensten. Es wurde viel diskutiert und gerungen.

epd: Was verbuchen Sie für sich als persönlichen Erfolg?

Magaard: Ich bin froh und dankbar, dass es in der Zeit, als die Flüchtlinge 2015 kamen, dieses große Netzwerk gab. Wie die Flüchtlinge hier aufgenommen wurden, war eine großartige, diakonische Leistung aus Mitgefühl. Da habe ich einen Beitrag geleistet und versucht, Menschen in dieser Zeit zu ermutigen. Das Wesentliche aber haben andere gemacht. Das war ein Gemeinschaftswerk. Natürlich bin ich froh und dankbar, dass die Domsanierung mithilfe sehr vieler Menschen und großer öffentlicher Unterstützung gelungen ist.

epd: Bleiben Sie in Schleswig?

Magaard: Nein, meine Frau und ich sind schon umgezogen. Wir wohnen jetzt in Preetz bei Kiel. Da haben wir schon einmal lange gewohnt, unter anderem, als ich am Prediger- und Studienseminar gearbeitet habe. Wir haben dieselben freundlichen Nachbarn wie früher und das ist ein gutes Gefühl.

epd: Werden Sie Schleswig und den Dom vermissen?

Magaard: Ich werde aus dem Amt ausscheiden, aber ich bin ja nicht aus der Welt. Ich werde es so ähnlich machen wie der jüngst verstorbene Altbischof Hans Christian Knuth. Es gab im Schleswiger Dom mal einen Ordinationsgottesdienst. Als wir am Ende auszogen, sah ich ihn und seine Frau in der letzten Reihe. Die beiden waren zufällig in Schleswig und wollten mal sehen, was im Dom passiert. In diesem Sprengel gibt es viele schöne Orte und Kirchen. Da werde ich auf Wanderschaft gehen.

epd: Welche Themen werden Ihre Nachfolgerin in Zukunft beschäftigen?

Magaard: Wir sind ja in vielen Veränderungsprozessen. Die sinkenden Kirchenmitgliedszahlen, der absehbare Pastorenmangel und die damit verbundenen Fusionsprozesse in den Kirchengemeinden sind große Themen, mit dem sich die Nordkirche auch in ihrem Zukunftsprozess beschäftigt.

Es hat immer Phasen der Veränderung gegeben. Als ich 2009 meine bischöfliche Arbeit aufnahm, kam der nordelbische Reformprozess mit dem neuen Sprengelzuschnitt Schleswig und Holstein. Die Kirchenkreisfusionen sind in diese Zeit gefallen. Das Zusammenwachsen hat Jahre gedauert. Und dann kam die Gründung der Nordkirche bis 2012 dazu.

epd: Bei allen Fusionsprozessen soll Kirche aber für alle da sein, gerade im ländlichen Raum.

Magaard: In manchen Regionen läuft die Zusammenarbeit schon gut. Da spüren die Gemeinden, dass Fusion nicht nur eine Pflicht ist, sondern dass sie davon auch profitieren. Zugleich wollen die Menschen wissen, wo sie hingehören, wer ihr Ansprechpartner ist. Mit weniger Hauptamtlichen ist das eine große Veränderung.

Wir profitieren von den Erfahrungen der Gemeinden in Mecklenburg und Pommern, die kirchliches Leben mit viel weniger Mitgliedern gestalten. Schleswig-Holstein hat eine vergleichsweise hohe Zahl an Mitgliedern. Eine Chance sehe ich in der engeren Zusammenarbeit mit Vereinen und Institutionen. Das kann für viele Themen des Zusammenlebens gelten, bei diakonischen Aufgaben oder beispielsweise bei klimafreundlichen Gebäudekonzepten. Unseren Gebäudebestand zu reduzieren und die restlichen zu ertüchtigen und gut zu nutzen, das wird nur in Kooperationen gehen.