Machtwechsel in Kambodscha: Hun Manet im Schatten des Vaters

Es liegt in der Familie: In Kambodscha gibt Langzeitherrscher Hun Sen die Macht ab – und zwar an seinen Sohn. Der gilt als bescheiden, aber nicht unbedingt bereit zu Reformen.

Kambodschas neuer Herrscher Hun Manet gilt im Volk als beliebt und posiert gern mal für ein Selfie
Kambodschas neuer Herrscher Hun Manet gilt im Volk als beliebt und posiert gern mal für ein SelfieImago / Kyodo News

Dass Autokraten aus freien Stücken ihr Amt abgeben, kommt selten vor. In Kambodscha hat Langzeitherrscher Hun Sen diesen Schritt getan – um den Posten an seinen Sohn zu vererben. Der König hat die Ernennung von Hun Manet zum neuen Ministerpräsidenten bereits abgesegnet, und am Dienstag, 22. August, steht die offizielle Bestätigung im Parlament an.

Es war eine Blitzkarriere ins höchste Regierungsamt für den 45-Jährigen, der vor knapp zwei Jahren als möglicher Nachfolger seines Vaters von der Regierungspartei nominiert worden war. Bis zur Parlamentswahl im Sommer hatte Hun Manet noch nie für ein Mandat in der Volksvertretung kandidiert.

Sohn legt Blitzkarriere hin

Er ist das älteste von Hun Sens fünf Kindern. Den 18-jährigen Hun Manet schickte sein Vater an die US-amerikanische Militärakademie West Point, es folgte ein Master in Wirtschaftswissenschaften an der New York University und ein Doktortitel an der britischen Universität von Bristol. Zurück in Kambodscha, machte der Sohn des Langzeitherrschers rasch Karriere beim Militär, zuletzt war er Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Hun Manet ist nicht unbeliebt, insbesondere bei jungen Menschen in dem südostasiatischen Königreich. Er gilt als bescheiden, gebildet und zugänglich. Auch seine Rhetorik ist nicht ganz so kämpferisch wie die seines Vaters, der gern mal damit droht, Kritiker eigenhändig zu verprügeln.

Anfang August hält Hun Sen seine letzte Rede als Machthaber Kambodschas
Anfang August hält Hun Sen seine letzte Rede als Machthaber KambodschasImago / Kyodo News

Dennoch seien unter Hun Manet keine echten liberalen Reformen zu erwarten, lautet die Einschätzung von Sophal Ear. Der Politikwissenschaftler an der Arizona State University war als Kind mit seiner Familie vor den Roten Khmer in die USA geflohen und hat seitdem intensiv zu Kambodscha geforscht. „Manet weiß, dass er seine Macht zunächst festigen muss“, erklärt Ear. In seinen wenigen öffentlichen Äußerungen wiederhole Hun Manet deshalb das Mantra, das die kambodschanische Politik der vergangenen Jahrzehnte geprägt und mit dem sein Vater das harte Vorgehen die Opposition gerechtfertigt hat: Frieden, Stabilität und Sicherheit.

Ohnehin ist es nicht so, dass Hun Manet nun freie Hand für Reformen hätte. Das machte sein Vater gleich zu Beginn klar. Er selbst werde Vorsitzender der Partei bleiben, schrieb er bei der Verkündung der Ernennung seines Sohnes, und zudem die Rolle des Senatspräsidenten übernehmen. „Hun Sen hält weiterhin alle Trümpfe in der Hand“, sagt Ear. Ohne seine ausdrückliche Zustimmung werde es keine Reformen geben – schon gar nicht, wenn sie die Existenz des Regimes bedrohen sollten.

Kambodscha: Kommt die Annäherung an den Westen?

Mit Spannung wird erwartet, wie sich Hun Manets Kambodscha außenpolitisch positionieren wird. In den vergangenen Jahren hat das Land den Schulterschluss mit China gesucht. Hun Manet indes lebte viele Jahre im Westen. „Persönlich ist er dem westlichen Denken sehr zugeneigt“, sagt Ear. Es werde sicher ein paar symbolische Gesten geben, erwartet der Politologe. Die politische Realität sehe jedoch anders aus. Mit massiven Investitionen habe die Volksrepublik Kambodscha eng an sich gebunden.

Vater Hun Sen regierte Kambodscha fast vier Jahrzehnte. Als er im Jahr 1985 sein Amt antrat, waren die Kambodschaner von den Folgen des Vietnamkriegs und der anschließenden Schreckensherrschaft der Roten Khmer ausgezehrt. Fast ein Viertel der Bevölkerung hatte die letzten Jahre nicht überlebt, die Überlebenden sehnten sich nach Frieden und Sicherheit. Der damals 32-jährigen Hun Sen von der Kambodschanischen Volkspartei (CPP) erwies sich als fähiger Anführer, der das unterentwickelte und kriegszerrüttete Land stabilisierte und es zu einem prosperierenden Staat umbaute.

Opposition unterdrückt

Doch die Stabilität hatte einen Preis: Hun Sens Regierung unterdrückte die Opposition, ließ unliebsame Politiker und Aktivisten verhaften und kritische Medien verbieten. Als sich im Jahr 2017 abgezeichnete, dass die Oppositionspartei CNRP die nächsten Wahlen gewinnen könnte, löste der oberste Gerichtshof sie einfach auf.

Auch bei der Parlamentswahl im Juli hielt die Regierung den Daumen drauf. Die einzige große Oppositionspartei durfte wegen einer bürokratischen Kleinigkeit nicht antreten, Kritiker wurden im Vorfeld massiv eingeschüchtert. Eine „demokratische Farce“, sagt Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Wie erwartet, gewann Hun Sens Volkspartei souverän und sicherte sich 120 von 125 Sitzen im Parlament.

Die erfolgreiche Wahl war noch keine zwei Tage her, da trat Hun Sen vor die Kameras und erklärte seinen Rücktritt zugunsten des Sohnes. Denn als Parteivorsitzender konnte der 71-Jährige seinen Nachfolger selbst bestimmen. Die Bestätigung im Parlament gilt als Formsache.