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Machtkampf in den Anden – Ecuadors Präsident unter Druck

Vordergründig geht es in der aktuellen politischen Krise Ecuadors um die Streichung von Dieselsubventionen und eine Verfassungsreform. Doch inzwischen ist die Frage: Wer hat eigentlich die Macht im Land?

Mit Sonnenbrille und lässiger Jacke macht der 37-jährige Daniel Noboa seinen Gegnern eine Kampfansage. Ecuador erlebe derzeit “als Proteste getarnte Terrorakte”, sagte der Präsident am Mittwoch (Ortszeit) in Otavalo. Hier, in der ecuadorianischen Provinz Imbabura, ist der Gegenwind für den konservativen Präsidenten besonders groß – und es gibt derzeit enorme Konfliktfelder in Ecuador.

Laut Noboa werden die Proteste vom “Tren de Aragua” finanziert, einer kriminellen Gruppe aus Venezuela, die von vielen Ländern Lateinamerikas als Terrororganisation eingestuft wird. Sie gilt als krimineller Arm der sozialistischen Machthaber in Venezuela; und die wiederum haben enge Verbindungen zur sozialistischen Opposition Ecuadors. Deren Chef ist de facto immer noch der in Belgien lebende linkspopulistische Ex-Präsident Rafael Correa. In Ecuador wird gegen ihn wegen Korruptionsverdachts ermittelt.

Ob die neuen Vorwürfe Noboas stimmen oder sie nur die Proteste delegitimieren sollen, ist derzeit unabhängig kaum zu überprüfen. Noboa wirft seinen Kritikern vor, nicht für das Volk zu kämpfen; “sie manipulieren es, setzen es unter Druck und benutzen es als Kanonenfutter, um ihre schmutzigen Geschäfte zu schützen”.

Auch auf die anhaltenden Straßenblockaden geht der Präsident ein: Landwirte, Kleinunternehmer und Familien, die arbeiten wollten, zahlten den Preis für die Blockaden. Noboa selbst stammt aus einer der reichsten Familien des Landes. Vater Álvaro leitet ein Bananen-Imperium und wollte einst selbst Präsident werden, was ihm allerdings nie gelang.

Nun liefert sich der Regierungschef wenige Monate nach seiner Wiederwahl einen Machtkampf mit dem Verfassungsgericht und den Indigenen-Verbänden. Der Präsident will eine Volksbefragung zu einer verfassunggebenden Versammlung durchsetzen; zudem besteht er auf der Streichung von Dieselsubventionen. Dies würde aber vor allem die ärmere Landbevölkerung durch höhere Spritpreise hart treffen. Ein Großteil insbesondere der indigenen Bevölkerung ist auf Busfahren als Fortbewegungsmittel angewiesen.

Doch Noboa verteidigt seinen Kurs. “Dies ist nicht die Regierung von 2019, es ist nicht die von 2022. Es ist eine starke Regierung, die solidarisch und einfühlsam ist”, sagte er. Seine Regierung verstehe, was die Menschen wollten, und schrecke nicht davor zurück, sich jeder Art von Bedrohung zu stellen. “In dem Moment, in dem wir versagen und zurückweichen, haben die Menschen keine Chance mehr – und das kann ich mir nicht leisten”, so der Präsident.

Er spielte damit auf Proteste in den vergangenen Jahren an, bei denen es teils blutige und tödliche Zusammenstöße mit Indigenen gab. Die gehen jetzt erneut auf die Straßen. Leonidas Iza, eine ihrer führenden Persönlichkeiten, erklärte jüngst, Noboa verweigere sich jedem Dialog und wolle nur strikten Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen.

Jüngst meldeten sich auch die Vereinten Nationen zu Wort und nahmen zum Streit Noboas mit dem Verfassungsgericht Stellung. Margaret Satterthwaite, UN-Sonderberichterstatterin für die Unabhängigkeit von Richtern und Rechtsanwälten, erklärte dazu: “Wenn hochrangige Beamte Richter als ‘Feinde der Bürger’ bezeichnen, weil sie ihre Aufgabe erfüllen, dann gefährdet dies die Unabhängigkeit der Justiz.”