Lulas Zögern bei Landvergabe verärgert Indigene

Diese Woche steht in der Hauptstadt Brasilia das indigene Protest-Camp “Freies Land”. 2023 hatte Präsident Lula dort zu viel versprochen. Nun ist der frühere Hoffnungsträger bei den Indigenen nicht mehr willkommen.

Am Montag beginnt in Brasiliens Hauptstadt die 20. Ausgabe des Acampamento Terra Livre (ATL), des alljährlichen Protest-Camps “Freies Land”. Dazu treffen sich in Brasilia tausende Indigene aus ganz Brasilien, um vor dem Kongress für die Anerkennung ihrer Rechte und ihrer angestammten Gebiete zu protestieren. Doch diesmal fehlt ein prominenter Gast: Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Anders als in den vergangenen Jahren ist er nicht eingeladen. Man ist verstimmt darüber, wie langsam die Einrichtung neuer Reservate vorankommt.

Lula hatte im Wahlkampf versprochen, 2023 allein 14 indigene Reservate einzurichten. Es wurden nur acht. Am vergangenen Donnerstag sollten nun in einer Feierstunde die sechs fehlenden Gebiete folgen. Doch wieder wurden die Indigenen enttäuscht: Mit Aldeia Velha im Gliedstaat Bahia und Cacique Fontoura im Agrargebiet Mato Grosso kamen nur zwei Reservate hinzu. “Ich weiß, dass Ihr frustriert seid”, entschuldigte sich Lula bei den Indigenen. Aber er müsse erst mit den Gouverneuren bestehende Probleme verhandeln.

Denn in den von den Indigenen beanspruchten Gebieten leben zum Teil hunderte nicht-indigener Siedler, die mit der Zuteilung des Landes an Indigene gehen müssten. Ihre Präsenz war das Hauptargument dafür, dass Lulas Vorgänger, der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro, kein einziges Indigenengebiet eingerichtet hat. Dass Lula nun eine ähnliche Begründung anführt, bringt die angereisten Indigenen auf.

Dabei seien die Landrechte der Indigenen in der Verfassung von 1988 verankert, betonte Gustavo Vieira von der staatlichen Indigenenbehörde Funai. “Die Rechte der Vorfahren sind nicht verhandelbar. Aber Präsident Lula gab heute zu, dass er verhandelt. Das ist inakzeptabel”, so Vieira. Die indigenen Organisationen wissen zwar, dass Lula in der Frage vom Kongress ausgebremst wird, in dem das Bolsonaro-Lager die Mehrheit und die Agrar-Lobby großen Einfluss haben. Trotzdem entschloss man sich, Lula nicht zum diesjährigen Protest-Camp einzuladen.

Dort waren Fahnen und Transparente von Gewerkschaften und linken Parteien stets präsent. Denn Brasiliens Zivilgesellschaft bildet eine breite Front gegen alles, was nach Neo-Liberalismus, den Sünden des Kapitalismus und Kolonialismus riecht. Auch Lulas Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) hatte an den Protesten teilgenommen und in der Ära Bolsonaro von 2019 bis 2022 dessen Indigenenpolitik scharf kritisiert. Keinen Zentimeter Land wolle er an Indigene abgeben, so Bolsonaros damaliges Motto.

So war Lulas Wahl von Indigenen mit viel Hoffnung herbeigesehnt worden. Versprach er doch, sie endlich zu ihrem Recht kommen zu lassen. Nach der Wahl richtete er das Ministerium für indigene Völker ein und besetzte es mit der Indigenen Sonia Guajajara. “Ich möchte während meiner vierjährigen Amtszeit kein indigenes Land unmarkiert lassen. Dies ist eine Verpflichtung, die ich habe und die ich vor der Wahl mit Ihnen eingegangen bin”, erklärte Lula 2023 auf dem Protest-Camp. Doch das Versprechen scheint nicht mehr zu gelten.

So hatte Lula zuletzt angedacht, dass die öffentliche Hand Land kauft, um dort Indigene anzusiedeln, statt ihnen ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückzugeben. Denn dort siedeln weiße Bauern, die Agrar-Produkte für Brasiliens Export produzieren. Der Dachverband der Indigenen Völker hatte daraufhin vergangene Woche einen Offenen Brief an Lula veröffentlicht. Darin warf man dem Präsidenten vor, die Linie des Bolsonaro-Lagers übernommen zu haben.

So leiste Lula gar dem umstrittenen “Marco Temporal” als Kriterium für die Vergabe von Land an Indigene Vorschub. Diese “Zeitmarke 1988” besagt, dass Indigene nur Anspruch auf das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung am 5. Oktober 1988 tatsächlich besiedelte Gebiet haben sollten – ein beliebtes Argument der Agrar-Lobby gegen die Einrichtung von Reservaten.

Der katholische Indigenen-Missionsrat Cimi gehört zu den Gegnern der Zeitmarke. Die Indigenen fordern die Rückgabe aller Siedlungsgebiete, auch der vor 1988 geraubten Gebiete. Noch steht eine Entscheidung des Obersten Gerichts in dieser Frage aus. Im Kongress versuchen der Agrar-Lobby nahe stehende Abgeordnete derweil, die Zeitmarke per Gesetz zu etablieren.

Lula möge endlich den Indigenen ihr Land zuteilen sowie den kriminellen Organisationen ein Ende machen, die indigene Völker bedrohten und ihre Anführer ermordeten, so der Brandbrief. “Ziehen Sie endlich die Grenzen um unser Land, das seit Jahrhunderten von den Eindringlingen, die vor 524 Jahren hier ankamen, und ihren heutigen Nachkommen überfallen und geplündert wird.”