Luisa Neubauer über den Papst, die „Letzte Generation“ und ihr Studium

Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat den Ökumenischen Predigtpreis erhalten. Im Interview spricht sie über ihr Treffen mit dem Papst, die „Letzte Generation“ – und was Kirche beim Klimaschutz tun kann.

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat den ökumenischen Predigtpreis bekommen (Archiv)
Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat den ökumenischen Predigtpreis bekommen (Archiv)Imago / Zuma Press

Luisa Neubauer gilt als Gesicht der deutschen Fridays for Future-Bewegung. Zuletzt hat sie den Papst getroffen. Am 16. Oktober wurde ihr der Ökumenische Predigtpreis der Universität Bonn für ihr Lebenswerk verliehen.

„Prophetische Rede“ heißt es in der Begründung für den Preis – passt das?
Ich bin sehr dankbar, dass mir der Berliner Dom die Türen für eine Kanzelrede geöffnet hat, weil es mir ermöglicht hat, die Tonlage zu verändern, jenseits von den ewigen Konflikten, die wir eben führen in den Talkshows und auf der Straße. Über das sanfte zu sprechen und über das heilende. Was dann wiederum andere daraus machen – ich glaube, damit komme ich klar.

 

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Allein die Ankündigung des Preises hatte ja heftige Reaktionen hervorgerufen. Sind Sie sowas gewohnt?
Ich finde das ganz großartig! Was ist schon ein Preis? Letztendlich geht es doch darum, dass wir etwas zum Thema machen und es besprechen. Und Klima wurde zum Thema gemacht. Teilweise fand ich es sehr lustig, was ich im Internet über mich gelesen habe. Aber ich wertschätze es sehr, dass dieser Predigtpreis, die Institution sich nicht verkrochen hat, sondern herausgeht – wohl wissend, dass eine Art von Kontroverse stattfindet.

Ist es schwer, mit solchen Kontroversen um Ihre Person umzugehen?
Das ist schwer, teilweise viel Resignation und Zynismus zu erleben. Ich bin aber überzeugt, dass es mehr gibt als das, was an der Oberfläche ist. Im Klimaaktivismus treibt mich nicht nur eine Verbundenheit zur Erde an, sondern eben auch eine Verbundenheit zu den Menschen. Das Gemeine ist: Mit der Gewalt die wir erleben – verbale Gewalt oder auch ganz körperliche Bedrohung – wird ein ganz anderer Schatten auf Teile der Zivilgesellschaft geworfen. Auf einmal ist die Öffentlichkeit kein sicherer Ort mehr für mich und für viele andere auch nicht. Und da wird es hart, weil es so ins Mark geht von dem was ich mache. Da muss ich mich konzentrieren nicht zu vergessen, dass die allermeisten Menschen es in irgendeiner Art gut meinen.

Schaffen Sie bei all der Aktivität noch Ihr Studium?
Heute geht das Semester los. Das ist ein sportliches Unterfangen, aber ich bin geradezu verliebt in die Geografie und probiere, Platz zu machen. Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich mit dem Aktivismus. Und das ist auch angemessen bei der Dringlichkeit!

Kürzlich haben Sie Papst Franziskus getroffen. Wie ist denn der so?
Nett, und vor allem: Humorvoll. Ich fand es bemerkenswert – ich habe an meine Treffen gedacht mit Präsident Macron, mit Angela Merkel, mit Präsident Obama, die viel gesetzter waren. Beim Papst hätte ich alles sagen können! Ich habe im Vatikan eine Rede gehalten, die von niemandem überprüft wurde. Da wurde mir und den anderen, die gesprochen haben, ein unglaubliches Vertrauen entgegengebracht. Es hat sich trotz einer so massiven und kontroversen Institution unbefangen angefühlt.

Aber er ist an der Spitze eines autoritären, hierarchischen und patriarchalischen Systems und steht damit alles, was eine Organisation von Fridays for Future nicht will.
Richtig. Aber mit seinem Laudate Deum hat sich der Papst in Teilen gegen Teile des katholischen Systems gestellt und kritisiert, was in der katholischen Kirche an Klimaleugnung betrieben wird. Die Zeiten sind hart und die Krisen drohen uns zu überwältigen. Ich glaube, wir brauchen Verbündete. Ich frage mich weniger, was hast Du gestern gemacht, sondern was machst du heute und wie gehst Du um auch mit deiner Verantwortung. Ich glaube auch, dass wir uns gesellschaftlich einen Gefallen tun, ein Umgang mit Widersprüchen zu finden, der uns nicht in Schweigen versetzt.

Wie ist ihr Verhältnis zur „Letzten Generation“, deren Protest hat ja eine andere Qualität?
Ungehorsamer Protest hat einen ganz wichtigen Platz in der Demokratie. Ich war auch schon zweimal in Gewahrsam. Für mich ist aber entscheidend, wie groß das Versöhnungspotential ist. Und wenn wir in Lützerath gegen die Kohlebagger kämpfen, dann gibt es eine klare Konfliktlinie zwischen Kohlekapitalismus und uns. Was bei der „Letzten Generation“ viele irritiert, ist, dass nicht klar ist: Wer kämpft hier gegen wen? Sind jetzt die Pendler das Problem? Der Berufsverkehr? Denn diejenigen, die für fossile Politik verantwortlich sind, stecken in der Regel nicht morgens im Berufsverkehr fest. Die sitzen schon längst im Bundestag oder in ihren Chefetagen.

Unterstützen Sie die „Letzte Generation“ trotzdem?
Als Zivilgesellschaft erleben wir gerade eine neue Art der Kriminalisierung, die uns alle trifft. Auch wir wurden von Razzien betroffen. Und in dem Augenblick, wo sowohl derjenige, der sich auf die Straße klebt, strafrechtlich angegangen wird, als auch wer sich einen Sticker zum Klimaprotest bestellt – in dem Augenblick sind wir in der zivilgesellschaftlichen Verantwortung, uns gegenseitig zu schützen. Und da sind wir solidarisch. Trotzdem sind wir gefragt, Widersprüche auszuhalten. Ich bin überzeugt, dass wir die Massen brauchen.

Luisa Neubauer hat die nicht dotierte Auszeichnung in der Kategorie Lebenswerk erhalten
Luisa Neubauer hat die nicht dotierte Auszeichnung in der Kategorie Lebenswerk erhaltenepd-bild/ Guido Schiefer

Fridays for Future sagt, wenn wir Konflikte schüren, dann gehen wir in Richtung Politik und fossile Konzerne. Dann probieren wir unmissverständlich deutlich zu machen, dass wir nicht gegen die Menschen sind, sondern gegen fossile Politik und Profite. Unterm Strich denke ich vor allem: Der September war im globalen Durchschnitt 1,8 Grad wärmer als sonst. Bevor ich jemanden fragen würde, was ist Deine Meinung zur „Letzten Generation“, würde ich fragen, was ist Dein Beitrag, um etwas besser zu kriegen. Man kann deren Protest auch ganz dolle blöd finden und gerade deshalb andere Orte finden, an denen man sich einsetzen kann. Zum Beispiel bei Fridays for Future.

Tut die Kirche genug für Klimaschutz?
Die Kirche hat an ganz vielen Stellen bewiesen, dass sie sich ökologisch neu verortet, gerade die evangelische Kirche. Was jetzt gebraucht wird, ist, dass die Kirche noch einmal institutionell überprüft: Wo sind die Kapitalanlagen? Wo sind unsere Solaranlagen? Auf welchen von den vielen Flächen?

Und dann gibt es die politische Verantwortung. Die evangelische Kirche hat zum Klimastreik aufgerufen, was ich fantastisch fand. Der Papst hat Laudate Deum veröffentlicht. Und dann gibt es aber nochmal die Frage, woher tanken Menschen Kraft in den harten Zeiten? Wo kommt man zur Ruhe? Wo kommt Mut zusammen? Und da sind im weitesten Sinne Orte der Spiritualität und des Miteinanders von einer neuen Bedeutung – das ist eine Frage für die Kirche eine große Rolle spielt.