Lübeck: Zwei Ausstellungen zum 100. “Zauberberg”-Geburtstag
In Lübeck eröffnen am Freitag zwei Ausstellungen zum 100. Geburtstag des Romans „Der Zauberberg“ des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann (1875-1955). „Thomas Manns Roman ist von unglaublicher sprachlicher Schönheit und Tiefe und hat bis heute nicht an Relevanz verloren. Das wollten wir zum Ausdruck bringen“, sagte die Leiterin des Buddenbrookhauses, Caren Heuer, am Donnerstag in Lübeck. Die kulturgeschichtliche Ausstellung „Thomas Manns Der Zauberberg. Fiebertraum und Höhenrausch“ im St. Annen-Museum sowie die Installationen der britischen Künstlerin Heather Phillipson unter dem Titel „Extra Time“ in der Kunsthalle St. Annen sind bis zum 2. März 2025 zu sehen.
Die Ausstellung im St. Annen-Museum erzählt in sieben Stationen von den zentralen Themen des Romans, darunter Politik, Philosophie, Liebe, Krankheit und Tod. Zunächst erhalten die Besucher Einblick in das Arbeitszimmer von Thomas Mann und in die Fülle an Texten, die er in dem Bildungsroman verarbeitete.
Gemeinsam mit der Hauptfigur Hans Castorp gehen die Besucher dann auf die Reise in ein Schweizer Lungensanatorium, wo der Roman spielt. Fieberthermometer und Röntgengeräte aus dem 20. Jahrhundert sind ausgestellt, aber auch Smartwatches und Medizinbälle von heute. Das ständige Fiebermessen ist im „Zauberberg“ ein zentrales Instrument der Diagnose. Heute würden die Menschen sich stattdessen von ihren Smartwatches überwachen lassen, sagte Heuer.
Vier Abschnitte sind Castorps Innenleben gewidmet. Ein Fokus liegt auf seinem erotischen Verlangen nach der Russin Clawdia Chauchat, dargestellt mit einem rosarot ausgeleuchteten Raum mit Phallussymbolen aus dem Roman. Aufgrund der Zuneigung zu ihr verweilte Castorp im Sanatorium sieben Jahre statt der ursprünglich geplanten drei Wochen.
Die im Roman seitenlangen politischen Auseinandersetzungen zwischen dem reaktionären Naphta und dem Aufklärer Settembrini werden in der Ausstellung durch aktuelle Zitate ersetzt. So finden sich in der Ausstellung Zitate von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem Terroristen Osama bin Laden, die man auch den Intellektuellen aus dem „Zauberberg“ zuschreiben könnte. „Die Themen von damals diskutieren wir auch heute noch“, sagte Heuer.
In der benachbarten Kunsthalle St. Annen sind unter dem Titel „Extra Time“ raumgreifende Installationen der britischen Künstlerin Heather Phillipson (46) aus Videokunst, Skulpturen, Musik, Texten und Zeichnungen zu sehen. Sie wählte das Thema Zeit als Hauptmotiv. Castorp verliert im Sanatorium sein Zeitgefühl, gleichzeitig steht der Erste Weltkrieg kurz bevor und die Gesellschaft vor einem großen Umbruch.
Gleich zu Beginn führt Phillipson ihre Hauptakteure ein. Schwarze Krähen sitzen auf kleinen Fußballfeldern, sie begegnen den Besuchern auf der gesamten Ausstellungsfläche immer wieder. Krähen gelten in Mythen oft als Vorboten großer Umbrüche, erklärte die Leiterin der Kunsthalle, Noura Dirani. Die Schau lade die Besucher zu einem Gedankenexperiment ein, unter der Leitfrage, ob die Gesellschaft sich wie die Romanfiguren wieder vor einem großen Umbruch befinde und was man dem entgegen setzen könne. Die Anwort darauf muss sich am Ende jeder Besucher selbst geben.