Lockere Gestalten, lächelnde Menschen

Der niederländische Maler Frans Hals steht immer noch im Schatten von Rembrandt und Vermeer. Zu Unrecht, wie die Sonderausstellung “Frans Hals. Meister des Augenblicks” in der Berliner Gemäldegalerie belegt.

Rembrandt, Vermeer, Hals. Hals? In Deutschland kennt man vom niederländischen Maler-Dreigestirn des 17. Jahrhunderts vor allem die beiden Erstgenannten. Der Maler Frans Hals (1582/84-1666) ist bisher eher Eingeweihten ein Begriff. Das könnte die Sonderausstellung “Frans Hals. Meister des Augenblicks”, die ab Freitag in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen ist, ändern. Lassen sich in ihr doch die verschiedenen maltechnischen Facetten eines Mannes entdecken, der seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war.

“Frans Hals war ein hervorragender Beobachter, ein genialer Porträtist, ein kluger Lehrer, aber auch ein rebellischer Künstler, ein Individualist und ebenso ein Innovator und Vorreiter der Moderne”, sagte die Direktorin der Gemäldegalerie, Dagmar Hirschfelder, am Donnerstag in Berlin vor Journalisten.

Dabei gelang es ihm, die Elite seiner Wahlheimat Haarlem nicht nur repräsentativ, wie damals üblich, abzubilden, sondern den Dargestellten eine persönliche Note zu verleihen. Oft lächeln die erfolgreichen Geschäftsleute und Junggesellen, auf manchen Werken sieht man sie in lockerer Atmosphäre – auch mit Frauen und Kindern. Nahbar und lebendig.

Vor dem Durchbrechen der Ständeschranken hatte Hals ebenso wenig Angst. Ein guter Beweis: Das Bildnis der Catharina Hooft mit ihrer Amme. In großer Verbundenheit zeigt Hals hier ein Kleinkind aus reichem Elternhaus samt Kindermädchen. Ein klarer Konventionsbruch, denn eigentlich hätte die in schlichtem Schwarz gekleidete Amme auf dem Bild nichts zu suchen gehabt. Hals inszeniert beide als das, was sie sind: Menschen – unabhängig von allen Standesunterschieden.

Deshalb überrascht es auch nicht, dass der Maler, der trotz guter Auftragslage stets ein bisschen knapp bei Kasse war, ein sensibles und kreatives Auge für die am Rand der Gesellschaft Stehenden hatte. Malle Babbe (deutsch: “Die verrückte Barbara”) ist so ein Fall. Mit geradezu naturalistischem Elan inszeniert Hals bei diesem berühmten Werk eine historisch nachgewiesene Person (Barbara Claes aus Haarlem), die im Ruf der Unsittlichkeit stand. Hals verurteilt nicht. Wirft mit dem Pinsel keine Steine. Im Gegenteil. Mit skizzenhafter Leichtigkeit hält er das ungehemmte Lachen der Frau fest, die mit einer Eule auf der Schulter an einem Tisch sitzt und alle gegen sie gerichteten Vorwürfe wegzulachen scheint. Ein Augenblick der Souveränität.

Als der französische Maler Gustave Courbet die Malle Babbe bei der ersten Internationalen Kunstausstellung (1869) in München entdeckte, fertigte er vor Bewunderung eine Kopie an. Sie ist in Berlin genauso zu sehen wie das Original.

Auffällig sind aber noch andere Dinge: Frans Hals war kein Freund von Selbstporträts. Nur eines ist bekannt. Ein deutlicher Unterschied zu Rembrandt, der von sich selbst als Motiv nicht genug bekam. Auch bemerkenswert: der Mangel an religiösen Motiven im Werk von Frans Hals. Außer den Evangelisten Lukas und Matthäus, die es als Leihgabe aus Odessa nach Berlin geschafft haben, und einem reformierten Prediger, den Hals nachsinnend zeichnet, glänzen religiöse Motive bei der Ausstellung durch Abwesenheit. Die Ursache dafür dürfte in der Wirkkraft der Reformation in den Niederlanden liegen und deren Motto “Sola scriptura” (Allein durch die Schrift). Der Maler Hals wirkte allein durch den Menschen, das Lächeln und die Lockerheit. Echte Lebensfreude.

Dass die Gemälde trotzdem nicht oberflächlich wirken, hängt wohl damit zusammen, dass Hals mit schmerzhaften Lebenserfahrungen bestens vertraut war. Fünf Jahre nach der Hochzeit mit seiner ersten Frau starb diese; nur eines der drei gemeinsamen Kinder erreichte das Erwachsenenalter. Auch bei seiner zweiten Frau machte Hals Bekanntschaft mit der damals üblichen hohen Kindersterblichkeit: nur acht von elf gemeinsamen Kindern erreichten das Erwachsenenalter. Die Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie ist ein Kooperationsprojekt mit der Londoner National Gallery und dem Amsterdamer Rijksmuseum. Sie läuft bis zum 3. November. Ein Besuch lohnt sich und verbreitet trotz der Dunkelheit der Ausstellungsräume gute Laune.