Litprom verschiebt Preisverleihung an Adania Shibli

Der Verein Litprom verschiebt die Verleihung des LiBeraturpreises 2023 an die palästinensische Autorin Adania Shibli. „Niemand fühlt sich derzeit zum Feiern“, begründete Litprom angesichts des Krieges zwischen der Hamas und Israel die gemeinsam mit der Autorin getroffene Entscheidung am Freitag in Frankfurt am Main. Der Verein zur Förderung von Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika halte aber trotz der Kritik an der Preisvergabe für den Roman „Eine Nebensache“ fest.

Der mit 3.000 Euro dotierte Preis sollte ursprünglich am 20. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse verliehen werden. Ein neuer Zeitpunkt für die Verleihung sei noch nicht bestimmt.

Kritiker monierten angesichts des aktuellen Krieges, in dem Roman würden israelische Soldaten als Mörder und palästinensische Frauen als Opfer einseitig dargestellt. Der Schriftstellerverband PEN Berlin forderte am Freitag, an der Preisvergabe festzuhalten. „Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert. Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht“, sagte die Sprecherin Eva Menasse. Die im Juni bekanntgegebene Jury-Entscheidung für Shibli sei eine „sehr gute“.

Nach dem Massenmord der Hamas an Hunderten Zivilisten fehle es auffällig und schmerzlich an palästinensischen und arabischen Stimmen, die diese Verbrechen mit unmissverständlichen Worten verurteilten, bedauerte Menasse. Aber sie müssten ihre Erfahrungen mit der israelischen Besatzungspolitik beschreiben dürfen, unter der die Palästinenser litten, wie Shibli es in ihrem Roman schildere.

Bereits nach Bekanntgabe der Nominierung Shiblis für den LiBeraturpreis im Juni protestierte der Literaturkritiker Ulrich Noller, der Roman spiegele israel- und judenfeindliche KIischees wider. Andere Feuilletonisten lobten hingegen die literarische Qualität des Werkes.

Litprom will nach eigenen Angaben zudem von der Tageszeitung „taz“ eine Gegendarstellung für die Behauptung fordern, Adania sei eine Aktivistin der BDS-Boykottkampagne gegen Israel. Das sei sie nachweislich nicht. Die Autorin habe bei der Beteiligung an israelkritischen Aktionen insgesamt dreimal Kontakt mit BDS gehabt, 2007, 2011 und 2019. Nur im letzten Fall habe sie einen vom BDS initiierten Protest unterschrieben, es sei um einen offenen Brief an die Stadt Dortmund gegen die Zurücknahme des Nelly-Sachs-Preises an die Autorin Kamila Shamsie gegangen. Die Unterstellung, Adania unterstütze die BDS-Bewegung, sei eine Rufschädigung, erklärte Litprom.

Der Roman „Eine Nebensache“ handelt von der Vergewaltigung und Ermordung eines Beduinenmädchens durch israelische Soldaten in der Negev-Wüste 1949 und der Aufklärung des Verbrechens durch eine junge Frau Jahrzehnte später. Adania Shibli entwerfe hier „präzise und behutsam ein formal wie sprachlich streng durchkomponiertes Kunstwerk, das von der Wirkmacht von Grenzen erzählt und davon, was gewalttätige Konflikte mit und aus Menschen machen“, lobte die Jury.

Die 1974 geborene Adania Shibli schreibt Romane, Theaterstücke, Kurzgeschichten und Essays und ist zudem in der akademischen Forschung und Lehre tätig. „Eine Nebensache“, ihre erste Buchveröffentlichung auf Deutsch, stand 2022 auf der Shortlist für den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt. Der LiBeraturpreis wird von dem Verein Litprom jährlich an Autorinnen aus dem Globalen Süden für ein neues auf Deutsch erschienenes Buch vergeben.