Letzte Wünsche wagen

Weihnachtszeit, Zeit der Wünsche. Für Patricia Lehmann aus Muggensturm (Kreis Karlsruhe) genau die richtige Zeit, um auf ihr Ehrenamt als „Wunscherfüllerin“ aufmerksam zu machen. Bei der Weihnachtsfeier der Freiwilligen Feuerwehr im Ort sammelt sie Spenden für den „Wünschewagen“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB).

„Der ‚Wünschewagen‘ hilft, Menschen mit einer lebensverkürzenden Diagnose einen letzten Wunsch zu erfüllen“, sagt Lehmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Rettungssanitäterin begleitet die todkranken Menschen auf den Fahrten, sei es zu einem letzten Stück Kuchen auf der eigenen Terrasse, sei es ein letztes Mal an die Nordsee. „Jede Fahrt ist etwas Besonderes“, betont sie.

Die Idee für den „Wünschewagen“ stammt aus den Niederlanden, wo im Jahr 2007 der Krankenwagenfahrer Kees Veldboer (gestorben 2021) die „Ambulance Wish Foundation“ gründete. Bei einer Krankenwagenfahrt kam er auf den Gedanken, als ihm ein todkranker Seemann sagte, dass er noch einmal auf einem Schiff mitsegeln wolle. Der Wunsch wurde erfüllt.

Inspiriert von der Idee, schickte hierzulande der ASB Rhein Ruhr 2014 den ersten „Wünschewagen“ an den Start. Mittlerweile sind bundesweit an 22 Standorten ASB-„Wünschewagen“ im Einsatz, drei davon in Baden-Württemberg (Mannheim, Ludwigsburg, Offenburg). „Wir kommen auf rund 50 Fahrten im Jahr“, sagt Tina Schönleber vom ASB Mannheim.

Schönleber ist zuständig für den „Wünschewagen“ und schickt ihn – je nach Wunsch – zum Fußballspiel des SV Waldorf, zu einer Fahrt mit dem Heißluftballon, ans Meer, in die Berge, in den Hausgarten oder zu einem besonders schönen Sonnenuntergang. „Es gibt zwei Arten von Wünschen“, erklärt die Koordinatorin: „Die Sehnsucht nach dem Gewohnten, also in Erinnerung schwelgen, oder etwas zu tun, was man noch nie gemacht hat.“

Anfragen kommen entweder direkt, über Angehörige oder über „aufmerksame Pflegepersonen in Kliniken, Heimen oder Hospizen“, berichtet Schönleber. Der „Wünschewagen“ ist spendenfinanziert. Die Wünschenden selbst bezahlen nichts.

„Die Spenden kommen von Privatpersonen, manchmal auch als Dank von Angehörigen, von Firmen anstelle von Weihnachtsgeschenken, über Spendenläufe von Schülern oder Studenten“, zählt Schönleber auf. Die Einnahmen spezieller Zumba- oder Tanzworkshops fließen ebenso in das Projekt wie die Spenden der Weihnachtsfeier der Freiwilligen Feuerwehr in Muggensturm.

Es gehe darum, „einen Ankerpunkt in der Trauer zu schaffen“, erklärt Lehmann ihr Verständnis ihres Ehrenamtes. Mit dabei bei den Fahrten seien zwei weitere Begleitpersonen des ASB – und Angehörige. Auch für sie sei ein Tag wertvoll, an dem sie die alltäglichen Pflegearbeiten vergessen dürften, so die Ehrenamtliche.

Ein Panoramafenster erlaubt es, den Blick über die Landschaft schweifen zu lassen. Vor der Fahrt erkundigt sie sich, ob ein Gespräch erwünscht ist oder nicht. Als ausgebildete Notfallseelsorgerin versteht es Lehmann, da zu sein, ohne sich aufzudrängen.

Sie erinnere sich an eine Frau, die sich während der Wunschfahrt im Gespräch selbst vergessen habe, sagt sie. Für manche Menschen sei es hilfreich, mit „jemandem, der von außen kommt“ zu sprechen, weiß Lehmann. Gegenüber der Tochter oder dem Partner falle es oft schwerer, sich zu äußern.

„Wir dürfen teilhaben an einer der intimsten Situationen im Leben“, ergänzt sie. Dem Entschluss, einen letzten Wunsch zu wagen, geht ein Prozess voraus. „Man muss akzeptieren, dass es wirklich das letzte Mal ist“, erläutert die Ehrenamtliche. Das gelinge nicht jedem.

Lehmann berichtet von einer Familie, die den Tag nach der Fahrt nicht abschließen wollte, „weil klar war, dass es das letzte Mal war“, erinnert sie sich. Dennoch könne der Tag der Wunschfahrt ein „superfreudiger Tag werden“, betont die „Wunscherfüllerin“: „Da wird auch gelacht.“ (3039/19.12.2023)