Leitende Theologin beschreibt kirchliche Muster sexualisierter Gewalt

Vor der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche in Emden, ergriff Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden das Wort: Bei einigen Fällen von sexualisierter Gewalt könne man Muster erkennen.

Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden
Kirchenpräsidentin Susanne Bei der WiedenTim Wegner / epd

Bei einigen Fällen von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche lassen sich nach den Worten der reformierten Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden Muster erkennen. Das gelte etwa in den Fällen, in denen sich sexualisierte Gewalt mit geistlichem Missbrauch verbinde, sagte Bei der Wieden vor der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche in Emden. Das sei „besonders perfide, denn sie greifen ins Herz dessen, was gemeindliches Leben trägt: nämlich ins Vertrauen“.

„In diesen Fällen bauen die Täterinnen und Täter ein Verhältnis zu den betroffenen Personen auf, das von Verständnis, Empathie und religiöser Inspiration geprägt ist“, erläuterte die leitende Theologin. „Heranwachsenden, die sich auch außerhalb des Elternhauses auf die Suche nach religiöser, sozialer und sexueller Orientierung begeben, bieten sie sich als stärkende und inspirierende Vorbilder an.“ In dem Maß, in dem die geistliche Beziehung wachse, suchten die Täterinnen und Täter auch die körperliche Nähe bis hin zu sexuellen Handlungen. Die betroffenen Personen wagten dann oft nicht, die wachsenden Übergriffe zurückzuweisen, unter anderem aus der Angst heraus, eine wichtige Bezugsperson zu verlieren.

Auch in der reformierten Kirche gab es Vorfälle von sexualisierter Gewalt

„Dabei agieren die Täterinnen und Täter so subtil, dass ihnen weder ihre eigenen Bekannten noch die betroffenen Personen ein Fehlverhalten zutrauen und geneigt sind, sich im Fall einer Anschuldigung erst einmal schützend vor die Beschuldigten zu stellen“, führte Bei der Wieden aus. Dies öffentlich zu machen, sei für die betroffenen Personen in doppelter Weise schambehaftet: „Sie müssen nicht nur sexuelle Übergriffe anzeigen, sondern auch den Missbrauch ihres Vertrauens.“ Doch die Aufdeckung solcher Machenschaften sei unerlässlich. Bei der Wieden bat deshalb betroffene Menschen, sich zu melden und Vorkommnisse auch nach vielen Jahren anzuzeigen, damit Tätern und Täterinnen „in unserer Kirche jeder Boden entzogen wird“.

Auch in der reformierten Kirche habe es in der Vergangenheit Vorfälle von sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen gegeben, ergänzte Bei der Wieden. Das habe eine Studie ergeben, bei der sämtliche Personalakten der reformierten Kirche von Pfarrern und Pfarrerinnen durchgesehen worden seien, die zwischen 1946 und 2020 beschäftigt gewesen seien.

Die Suche habe Hinweise auf zehn beschuldigte oder verdächtigte Personen und 13 betroffene Personen ergeben, sagte Bei der Wieden. „Bislang sind allerdings mit großer Sicherheit nicht alle Fälle sexualisierter Gewalt erfasst worden, die es in unserer Kirche in der Nachkriegszeit gegeben hat. Denn nicht alle Fälle sind tatsächlich aktenkundig.“ So sei im vergangenen Sommer ein Fall durch die Anzeige einer Betroffenen offenbar geworden.