Leitende Geistliche in Hessen und Rheinland-Pfalz gegen Judenhass

Führende Vertreter der beiden großen Kirchen haben vor dem Gedenktag an die judenfeindlichen Novemberpogrome von 1938 dazu aufgerufen, den Opfern von Antisemitismus beizustehen. „Antisemitismus ist eine Schande für unsere Gesellschaft, die wir nur gemeinsam überwinden können“, sagte der katholische Limburger Bischof und Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Mittwoch. Die Erinnerung an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren erfülle ihn mit Schmerz. Das damalige Schweigen der katholischen Kirche in Deutschland zur Judenverfolgung beschäme ihn.

Olaf Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), rief am Mittwoch in einer Videobotschaft dazu auf, jüdisches Leben zu schützen, „wo immer es bedroht wird“. Antisemitismus falle nicht unter das Recht auf freie Meinungsäußerung und habe in der Bundesrepublik nichts zu suchen – „nicht auf unseren Straßen oder Schulhöfen, nicht in Kirchen oder Moscheen, nicht an Stammtischen, nicht in Chaträumen oder bei Demonstrationen, nicht in unserem Land. Nirgendwo.“

Die Bischöfin der kurhessischen Kirche, Beate Hofmann, und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, übermittelten in einer gemeinsamen Erklärung ihr tiefes Mitgefühl für die Opfer des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober und deren Angehörige. Es sei „zutiefst verstörend“, dass der Angriff und die israelische Reaktion vielfach zu Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit geführt hätten. „Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten ebenso den Palästinenserinnen und Palästinensern und allen Menschen, die im Gaza-Streifen schon lange unter der Herrschaft der Hamas leiden und die jetzt Opfer der von der Hamas ausgelösten Gewalt werden“, heißt es in der Erklärung weiter.

Bereits am Dienstag hatte die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst in Speyer einen Anstieg antisemitischer Übergriffe in Deutschland und weltweit verurteilt. In der deutschen Gesellschaft gebe es wieder eine Zerreißprobe für Demokratie, Humanität, Toleranz, Mitmenschlichkeit, Sicherheit und Frieden: „Ich will eine Welt, in der Luftschutzbunker keine Rolle spielen, in der ich mit Kippa oder Kopftuch sicher einkaufen kann, in der niemand ‚Tod allen Juden‘ plärrt“, sagte die Kirchenpräsidentin.

Mit den Novemberpogromen vor 85 Jahren gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit vor. Während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten zahlreiche Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet und jüdische Bürger misshandelt und getötet. Das öffentliche Leben der Juden in Deutschland kam nach den Pogromen völlig zum Erliegen. Nach den gewaltsamen Übergriffen begann auch die flächendeckende staatliche Enteignung jüdischen Besitzes. Drei Jahre später, im Jahr 1941, setzten die Deportationen deutscher Juden in die Todeslager ein.