Lech Walesa – Ein Revolutionsheld wird 80

Er ist eine Ikone der historischen Ereignisse im Polen der 1980er Jahre auf dem Weg zur Demokratie: der einstige Danziger Streikführer Lech Walesa. Unumstritten ist er allerdings nicht. Jetzt wird Walesa 80 Jahre alt.

Zigarette im Mundwinkel, mächtiger Schnurrbart, geballte Faust oder zum Siegeszeichen gespreizte Finger. So sehen Fotos des polnischen Revolutionshelden Lech Walesa Anfang der 1980er Jahre aus. Die Aufnahmen zeigen auch die damalige Szenerie rund um die Danziger Werft und Aktivitäten der im selben Jahr gegründeten Gewerkschaft Solidarnosc: den Mut des Streikführers Walesa und all der anderen Männer und Frauen, die den polnischen Machthabern die Stirn boten. Die Oppositionsbewegung trug Ende der 80er Jahre maßgeblich zum Untergang des kommunistischen Systems in Mittel- und Osteuropa bei.

Die Menschen waren enorme Risiken eingegangen, hatten ihre Arbeit niedergelegt, harrten aus und beteten. Als Walesa am 31. August 1980 die Vereinbarung von Danzig (Gdansk) unterzeichnete, war das die offizielle Geburtsstunde der Solidarnosc. Damit wurde im Ostblock erstmals eine unabhängige Gewerkschaft anerkannt. Bis zu zehn Millionen Mitglieder gehörten ihr in Hochphasen an, und zeitweise musste sie im Untergrund agieren: zwischen der Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 und 1989, als Gespräche am Runden Tisch einen Neuanfang ermöglichten.

Walesa, eine der Ikonen dieser historischen Ereignisse, wird an diesem Freitag 80 Jahre alt. Als die Arbeiter auf der Werft im Sommer 1980 in den Streik traten, war er Elektriker – drei Jahre später bereits Friedensnobelpreisträger und ab 1990 Staatspräsident eines neuen Polens nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Wegen seiner Verdienste um den gewaltlosen Sturz des Regimes genießt Walesa hohes Ansehen und wurde auch mehrfach ausgezeichnet.

Allerdings ist er nicht unumstritten. Dass er für das Amt des Staatsoberhaupts geeignet sei, sahen viele Menschen in Polen in den 1990er Jahren nicht so. In seiner fünfjährigen Amtszeit enttäuschte er durchaus Erwartungen und wurde mitunter auch als unüberlegt in seinen Äußerungen empfunden. Walesa verlor 1995 schließlich die Wahl gegen den Ex-Kommunisten Aleksander Kwasniewski.

Doch auch ohne Staatsamt meldete sich Walesa weiter zu Wort, etwa zu europäischen Themen und zur aktuellen Politik in Polen. So wehrte er sich im vergangenen Jahr vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ein Verfahren vor dem polnischen Obersten Gerichtshof. Hintergrund war nach Angaben des Straßburger Gerichts der Vorwurf einer Spitzeltätigkeit im kommunistischen Regime.

Walesa sah demnach sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Dabei bezweifelte er die Unabhängigkeit des 2017 reformierten Obersten Gerichts. Auch wertete Walesa laut Gericht das Vorgehen gegen ihn als politische Vergeltung für seine Kritik an der rechtskonservativen Regierung Polens, die er für die Rechtsstaatlichkeitskrise verantwortlich machte. Der Gerichtshof forderte die polnische Regierung zu einer Stellungnahme auf.

2021 forderte Walesa in einem Interview eine stärkere Führungsrolle Deutschlands für Europa: „Wenn Europa als Idee wegen Polen, Ungarn oder einem anderen Land untergeht, dann liegt die Verantwortung bei Deutschland, weil ihr Europa nicht anführen konntet.“

Walesa ist Katholik. Vor fünf Jahren traf er am historischen Ort in Danzig den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er damals auf die Frage, worauf sich Europa gründen solle: „In Europa haben wir verschiedene Glaubensrichtungen und auch Atheisten. Deswegen sollten wir uns darauf einigen, so etwas wie ‚Zehn laizistische Gebote‘ aufzustellen. Und die sollten wir zum Fundament erklären. Wer in die Europäische Union kommt, erhält diese zehn Pflichten und Rechte.“

Eine große Verehrung bringt Walesa dem aus Polen stammenden Papst Johannes Paul II. (1978-2005) entgegen, den er als „großartigen Polen“ bezeichnete. Der Papst war 1980 bei der Solidarnosc-Gründung auf eine gewisse Weise dabei – freilich nicht persönlich. Aber er hatte bei einem Besuch in der Heimat 1979 zur Erneuerung Polens aufgerufen und die demokratische Opposition gestärkt. Und Walesa hielt, als er 1980 das Abkommen mit dem Vize-Ministerpräsidenten Mieczyslaw Jagielski unterschrieb, einen übergroßen Kugelschreiber mit dem Konterfei des Papstes in der Hand.