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Lauterbach plant Reform der medizinischen Notfallversorgung

Rettungsdienste und Notfallambulanzen der Krankenhäuser in Deutschland sind überlastet. Karl Lauterbach will das ändern. Patienten sollen besser durchs medizinische System gesteuert werden.

Die Diagnose ist schon lange gestellt. Die medizinische Notfallversorgung in Deutschland ist selber reif für die Intensivstation. Überfüllte Notfallambulanzen in Kliniken, überlastete Ärzte und wegen langer Wartezeiten genervte Patienten. Dazu viele vermeidbar Krankenhausaufenthalte und Transporte des Rettungsdienstes.

Zu besichtigen ist eine dramatische Fehlsteuerung, wie Gesundheitspolitiker und Ärzte seit Jahren kritisieren. Am Donnerstag ist der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung bekannt geworden, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Er soll Abhilfe schaffen – und sogar Geld sparen.

Der Handlungsdruck ist groß. “Allein die Zahl der Rettungseinsätze ist zwischen 2001 und 2022 von 8,5 Millionen auf 14 Millionen angestiegen. Und in der alternden Gesellschaft könnten es noch deutlich mehr werden”, sagte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeld, kürzlich im KNA-Interview.

Auch Ärzte warnen: Ein Drittel der Patienten komme mit Bagatell-Erkrankungen in die Notaufnahmen; sie könnten genauso gut vom Hausarzt oder vom Notdienst der niedergelassenen Ärzte behandelt werden. Vielen Bürgern sei nicht klar, dass sie statt der Notrufnummer 112 auch die ärztliche Bereitschaftshotline 116117 anrufen könnten.

Deutschland habe im Notfallbereich “unheimlich große Probleme”, sagt der Kölner Intensivmediziner Christian Karagiannidis. “Schaut man sich an, wer in die Notaufnahmen in Deutschland kommt, dann zeigt sich, dass dort extrem viele 80- bis 90-Jährige hinkommen”, betonte er im Interview der “Ärzte-Zeitung”. Häufig stehe bei diesen Patienten mehr ein Versorgungsproblem im Vordergrund als eine schwere Erkrankung.

Karl Lauterbach will das ändern: Sein jetzt vorgelegter Referentenentwurf hat zwei zentrale Ziele: eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten sowie eine Entlastung der Beschäftigten in den Notaufnahmen und Rettungsdiensten. Dazu sollen der Notdienst der Kassenärzte, die Notaufnahmen der Krankenhäuser und die Rettungsdienste stärker vernetzt werden.

“Im Notfall sollen Patientinnen und Patienten dort behandelt werden, wo sie am schnellsten und am besten versorgt werden. Das muss nicht immer das Krankenhaus sein”, unterstreicht der Gesundheitsminister. Häufig reiche auch der Besuch am nächsten Tag in der Hausarztpraxis.

Konkret sieht Lauterbach vor, die bestehenden Notdienstnummern von Rettungsdienst (112) und Kassenärzten (116 117) zu vernetzen. Hilfesuchende sollen unter beiden Nummern eine telefonische oder telemedizinische Ersteinschätzung erhalten und dann der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden. Dabei will der Minister konkrete Vorgaben für die personelle Besetzung, die Qualifikation des Personals und die zeitliche Erreichbarkeit der Anlaufstellen machen.

Bundesweit sollen zudem an Krankenhäusern Integrierte Notfallzentren für Patienten aufgebaut werden, die sich direkt in eine Klinik begeben – bei ausreichender Kapazität auch für Kinder und Jugendliche. Sie sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer kassenärztlichen Notfallpraxis sowie einem “Tresen” als zentrale Entscheidungsstelle bestehen. Auch hier sollen Patienten nach einer Erstbefragung entweder in die Notaufnahme oder die Notfallpraxis überwiesen werden.

Lauterbach hat mehrfach betont, dass darüber hinaus auch zwingend eine Reform des Rettungsdienstes folgen soll. So müssten die Rettungsdienste mit den Notfallzentren und Notdienststellen im digitalen Kontakt stehen und Zugriff auf die elektronischen Patientenakten der Patienten erhalten. Auch sollen Gemeindenotfallsanitäter, Notfallpflegeteams oder Telenotfalldienste die Notfallmedizin entlasten und effizienter machen.

Der Minister geht davon aus, dass durch die Reform langfristig knapp eine Milliarde Euro eingespart werden – vor allem durch eine verbesserte Inanspruchnahme der Notfallambulanzen und des Rettungsdienstes. Auch seien weniger stationäre Aufnahmen in Krankenhäuser zu erwarten als bisher.