Lauterbach: Es droht keine Wartelistenmedizin

Wie geht es weiter mit der Krankenhausreform? Vor dem Krankenhausgipfel haben Vertreter der Kliniken Alarm geschlagen und vor Leistungseinschränkungen gewarnt. Minister Lauterbach verweist auf zusätzliche Milliarden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Befürchtungen zurückgewiesen, in Deutschlands Krankenhäusern drohe eine Wartelistenmedizin. “Wir sind davon weit entfernt”, sagte der SPD-Politiker am Montag beim Krankenhausgipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft. In Deutschlands Krankenhäusern werde zu schnell und zu viel operiert. Es wäre ein Segen, wenn 20 Prozent weniger Eingriffe nicht oder ambulant durchgeführt würden.

Lauterbach bekundete großes Interesse, sich bei der Krankenhausreform mit der Ländern zeitnah zu einigen, ohne den Vermittlungsausschuss anrufen zu müssen. Er kündigte zugleich weitere zusätzliche Milliarden für die Kliniken für die Übergangszeit an, bis die Reform greift. 2023 und 2024 erhielten die Häuser zusätzlich mehr als 20 Milliarden Euro, unter anderem, um Tarifsteigerungen rückwirkend auszugleichen, sagte der Minister. Rechne man 2025 ein, könnten die Krankenhäuser mit rund 30 Milliarden zusätzlich rechnen.

Die anstehende Reform bezeichnete der Minister als alternativlos. “Wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen”, sagte er. Es gebe in Deutschland zuviele Krankenhäuser, zu viele stationäre Behandlungen und zu wenig Personal für so viele Häuser. Lauterbach sicherte zu, dass die ländlichen Räume ausreichend versorgt würden. Krankenhäuser, die als bedarfsnotwendig eingeschätzt würden, erhielten ausreichende Zuschläge. Über die Höhe könne weiterhin verhandelt werden. Die im Zuge der Reform ausgehandelten Qualitätskriterien würden in diesen Bereichen ausgesetzt. Die Krankenhausreform soll im neuen Jahr in Kraft treten. Der Bundestag soll sie am 18. Oktober abschließend beraten.

Vor dem Treffen hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft angesichts wachsender Milliardendefizite vor Einschränkungen in der Patientenversorgung gewarnt. “Die finanzielle Lage der deutschen Kliniken ist so ernst wie noch nie”, sagte Vorstandschef Gerald Gaß der “Augsburger Allgemeinen”. “Jede zweite Klinik plant notgedrungen eine Verschärfung der Sparmaßnahmen, die mitunter versorgungsrelevante Bereiche betreffen.”

Der Chef des Krankenhausverbands forderte die Bundesregierung auf, die Vergütungen für die Krankenhäuser an die sprunghaft gestiegene Inflation und Lohnerhöhungen anzupassen. “Seit den Jahren 2022 und 2023 laufen den Kliniken die Kosten davon”, erklärte Gaß. In diesem Jahr erwarteten die Krankenhäuser in Deutschland ein Defizit von sechs Milliarden Euro.

Die von der Ampel-Koalition geplante Krankenhausreform halte nicht das Versprechen, die Kliniken mit einer sogenannten Vorhaltefinanzierung langfristig zu sichern, fügte der Vorstandsvorsitzende hinzu. “Die von Minister Lauterbach versprochene Entökonomisierung ist ein Etikettenschwindel.” Nach wie vor sei die Finanzierung an möglichst hohe Fallzahlen bei den Krankenhausbehandlungen gekoppelt.

Der Verband der Ersatzkassen warnte unterdessen davor, immer mehr Geld ins System fließen zu lassen, ohne die Strukturen der Krankenhauslandschaft zu verbessern. “Wir haben in Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viel Pflegepersonal pro Einwohner”, erklärte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. “Dennoch sind die Pflegekräfte besonders belastet durch hohe Krankenhausfallzahlen und zu viele Standorte.” Es gebe zu viele ökonomische Fehlanreize und zu wenig ambulante Behandlungen.

Auch der AOK-Bundesverband warnte davor, immer mehr Geld in eine unwirtschaftliche Krankenhauslandschaft zu schießen. “Die Schere zwischen Krankenhaus-Kosten und den Leistungen der Kliniken ist in den vergangenen Jahren immer weiter auseinander gegangen”, sagte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. Auch gebe es viel zu viele Krankenhäuser: Stattdessen sollte das Geld gezielt in die Standorte fließen, die tatsächlich für die Versorgung der Bevölkerung benötigt werden.

Zuvor hatten Patientenschützer Lauterbach eine mangelnde Finanzierung der Reformpläne vorgehalten. Weder Bund noch Länder hätten ausreichend Geld für die Krankenhausreform eingeplant, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Stattdessen greife der Bund in die Taschen der Beitragszahler.