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Landschaftspfleger auf vier Beinen

Ben hat seine Herde im Blick. Aufmerksam schaut der Altdeutsche Hütehund auf die grasenden Schafe. Wenn Schäfer Jens Holtkamp ruft, treibt er die Heidschnucken in die gewünschte Richtung. Abends, wenn der Schäfer schaut, ob in der Westruper Heide in Haltern am See alles in Ordnung ist, geht es meist zu den Wassertrögen. Die Tiere sollen ausreichend trinken. „Wenn wir die Elektrozäune versetzen, passt der Hund auch auf, dass kein Schaf verschwindet“, sagt Holtkamp schmunzelnd. Denn die Fläche, auf der die Tiere in der Heide fressen und grasen, wechselt regelmäßig nach einigen Tagen.

Die Schafe stellen für die Besucher und Spaziergänger neben der eindrucksvollen Natur eine weitere kleine Attraktion dar. Ein Tourist aus dem Odenwald erkundet sich ausgiebig bei Jens Holtkamp, was die Tiere fressen und wie das die Fauna und Flora in der Heide beeinflusst. Er verbringt zusammen mit seiner Frau einige Urlaubstage in der Seestadt. Die beiden Rentner gehen gerne spazieren: „Wir mögen diese ganz besondere Heidelandschaft sehr“, erzählt er. Das Ehepaar beobachtet auch gerne die Schafe, die dort draußen in der Regel von Juli bis Oktober leben.

Der Name der Schafe geht auf den Begriff „Schnökern“ (Naschen) zurück, weil die Heidschnucke gerne „speist“ und dabei nicht sehr wählerisch ist: das Heidekraut, Gehölze, Gras und Wildkräuter gehören zu ihren bevorzugten Mahlzeiten. Sie sorgt durch ihren Verbiss dafür, dass die Heide kurz bleibt, nicht von anderen Gewächsen verdrängt wird und Nährstoffe im Boden erhalten werden. „Die Tiere sind sehr widerstandsfähig, genügsam und können problemlos draußen leben“, erläutert Holtkamp.

Heidschnucken gehören zu den Landschafen, von denen sechs Unterarten gibt. In der Westruper Heide sind vor allem die „Grau Gehörnten“ zu sehen: Der Name kommt vom silbergrauen Fell. Ihre Körper sind meist schlank, das Männchen und auch das Weibchen tragen Hörner. Sie wiegen zwischen 45 und 60 Kilo und werden bis zu 15 Jahre alt.

Jens Holtkamp, dem die Tiere gehören, ist Schäfer im Hauptberuf: In der Westruper Heide hält er rund 300 Heidschnucken. Er hat noch vier weitere Herden mit 50 bis 300 Tieren, Heidschnucken und Bentheimer Schafe. Bei dieser Tierhaltung spielen Wolle und Fleisch heute nicht mehr die Hauptrolle, berichtet er. Zwar werden die Schafe regelmäßig geschoren und geschlachtet, aber die Wolle der Tiere ist zu grob, eignet sich nicht für kuschelige Decken oder Kleidung und wird daher kaum verkauft. Und das Fleisch gilt zwar sogar als Delikatesse, ist aber am Ende zu teuer. „Unsere Unkosten sind so hoch, dass wir einen Preis verlangen müssten, den viele Abnehmer oder Kunden nicht bezahlen wollen“, erläutert Holtkamp.

Die Hauptaufgabe der Heidschnucken und Bentheimer Schafe ist daher die Landschaftspflege. Holtkamps Tiere fressen und grasen in der Westruper Heide und auf ähnlichen Flächen am Niederrhein und auf den dortigen Deichen am Rhein. Die Tiere sorgen durch ihren ausgiebigen Hunger dafür, dass die Heide eine einzigartige Landschaft bleibt: Das zirka 90 Hektar große Gelände steht seit 1937 unter Naturschutz und hat Ähnlichkeiten mit einer Savanne: Auf sandigen Wegen in einem dünenartigen Gelände stößt man auf bizarre Wacholderbüsche, die Glocken- und Besenheide oder bekommt den Sonnentau zu sehen, der eigentlich eine Moorpflanze ist, aber auch auf dem feuchten Heideboden wächst. Wer Glück hat, kann den Touristeninformationen zufolge dort auch die Heidelerche oder kleine Reptilien wie die Schlingnatter oder Zauneidechse entdecken.

Die Heidschnucken helfen übrigens auch den Bienen, in dem sie beim Gang über die Flächen Spinnweben im Kraut zerstören – die Bienen können also ungestört den Nektar suchen und ihrerseits die Heidepflanzen bestäuben und so zur biologischen Vielfalt und Fortpflanzung beitragen.