Landratswahl: Warnungen nach AfD-Sieg in Thüringen

Erstmals ist ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt worden. Besonnene Stimmen warnen vor einseitigen Schuldzuweisungen. Zentralratspräsident Schuster sieht in dem Wahlergebnis einen „Dammbruch“.

AfD-Politiker Robert Sesselmann (Mitte) hatte in der Stichwahl zum Landrat 52,8 Prozent der Stimmen erhalten
AfD-Politiker Robert Sesselmann (Mitte) hatte in der Stichwahl zum Landrat 52,8 Prozent der Stimmen erhaltenImago / Jacob Schröter

Die erstmalige Wahl eines AfD-Politikers auf einen Landratsposten in Deutschland hat eine Debatte über Konsequenzen ausgelöst. Zugleich macht sich Besorgnis breit, etwa bei Vertretern des Judentums.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte das Ergebnis der Stichwahl um das Landratsamt im thüringischen Sonneberg vom Sonntag einen „Dammbruch“. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte im ZDF, die Sonneberger hätten für sich entschieden, „ein Signal an die ganze Republik zu senden, dass ihnen viele Dinge nicht gefallen“.

Bundesregierung beschwichtigt Wahlergebnis

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, wollte das Ergebnis der Landratswahl nicht direkt kommentieren. Er betonte aber, Deutschland sei eine starke Demokratie. Sie sei geprägt von Werten wie Fairness, Toleranz, Anstand und Respekt. Diese Prägung gelte es zu pflegen und Meinungen sachlich auszudiskutieren. Zu spalten, eine Gruppe gegen die andere aufzubringen, „ist sicherlich kein Rezept, was dieses Land in eine gute Zukunft führen würde“, sagte Hebestreit.

AfD-Politiker Sesselmann erhielt 52,8 Prozent der Stimmen

Der AfD-Politiker Robert Sesselmann hatte in der Stichwahl 52,8 Prozent der Stimmen erhalten, sein Gegenkandidat Jürgen Köpper von der CDU unterlag mit 47,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent rund zehn Prozentpunkte höher als noch in der ersten Wahlrunde am 11. Juni.

Thüringen: „Großer Ansporn“ für demokratische Parteien

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zeigte sich bestürzt und gab der Union eine Mitschuld. Dem Berliner Tagesspiegel sagte die Thüringerin: „Wenn Teile der Union einen Kulturkampf ausrufen, muss man sich nicht wundern, wenn dieser Kampf von rechts angenommen wird.“ Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager (CDU) leitete aus dem Wahlergebnis einen „großen Ansporn“ für alle anderen Parteien ab, „im politischen Wettstreit überzeugender zu sein“.

Der Dresdner Politologe Hans Vorländer sieht in Parteienbündnissen gegen die AfD die Gefahr, dass die Parteien abseits der AfD inhaltlich nicht mehr zu unterscheiden seien. Die Front gegen die AfD werde von vielen Menschen als ein Bündnis von Blockparteien wahrgenommen, sagte er am Montag im Deutschlandfunk.

Evangelische Kirche für öffentlichen Diskurs

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) warnte vor „Sonntagsreden und Schuldzuweisungen“. Stattdessen brauche es einen öffentlichen Diskurs, der von gegenseitiger Akzeptanz geprägt sei, sagte die Regionalbischöfin des Bischofssprengels Erfurt, Friederike Spengler, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt.

Jüdische Landesgemeinde „zutiefst traurig“

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, erklärte auf Twitter, nicht alle, die bei dieser Wahl für den AfD-Kandidaten Sesselmann gestimmt hätten, seien Rechtsextreme und Rassisten. Aber jeder AfD-Wähler habe „wissentlich für eine Partei gestimmt, zu deren Kern Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit gehören“, schrieb der Historiker. Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, sagte MDR Thüringen, ihn mache das Wahlergebnis „zutiefst traurig“.