Hannoversche Landeskirche distanziert sich von Pastor

Hildesheim. Nach kritischen Äußerungen zum dritten Geschlecht distanziert sich die Hannoversche Landeskirche von Pastor Marcus Piehl. Der Pastor der evangelisch-lutherischen St.-Johannis-Gemeinde in Nordstemmen bei Hildesheim hat sich in einem Gemeindebrief gegen geschlechtsdiverse Menschen und ihre Lebensmodelle gewandt. Er schreibt, die Ordnung Gottes sehe keine anderen Geschlechter vor als die von Mann und Frau. Menschen, die das anders sähen, müssten mit dem Unmut Gottes rechnen. „Gott ist durchaus auch einer, mit dem nicht zu spaßen ist“, so Piehl an seine Gemeinde.

„Falsche und gefährliche Positionen“

„Aus Sicht der Landeskirche enthält der Gemeindebriefartikel von Pastor Marcus Piehl grundlegend falsche und gefährliche Positionen. Darüber wird es zeitnah Gespräche mit ihm geben“, sagt Landeskirchensprecher Benjamin Simon-Hinkelmann. Die Landeskirche Hannovers setze sich ohne Ausnahme klar gegen jede Form von Diskriminierung ein. „Wir heißen alle Menschen ohne Ansehen ihres Geschlechts in der Kirche willkommen.”

Autorin, Feministin, Rapperin: Lady Bitch RayWikimedia Commons

Auch die beiden Superintendenten im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld, Christian Castel und Katharina Henking, distanzieren sich. Piehls Äußerungen entsprächen in keiner Weise ihren theologischen und persönlichen Haltungen, schreiben die Superintendenten.

Pastor Piehl hat in seinem Vorwort zum Gemeindebrief homophobe Gedanken verbreitet und unter anderem jedes Familienbild, das nicht der klassischen Vater-Mutter-Kind-Vorstellung entspricht, als falsch und ursächlich für psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen dargestellt. Die Corona-Pandemie, so schreibt der Pastor, sei etwas Böses, das Gott auch deshalb zulasse, „weil er uns auf einen besseren, einen guten Weg führen will.“

Umstrittenen Professor zitiert

Darüber hinaus beruft sich Piehl auf Professor Ulrich Kutschera. Der Evolutionsbiologe von der Universität Kassel musste sich im vergangenen Jahr wegen seiner Unterstellung, Homosexuelle hätten eine Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern, vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verleumdung. Nachdem das Amtsgericht Kassel ihn in erster Instanz 2020 zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, sprach ihn das Landgericht Kassel im März dieses Jahres frei. Die Universität Kassel distanziert sich seit Jahren öffentlich von den Äußerungen Kutscheras.

Über den Nachrichtendienst Twitter meldete sich unterdessen auch Reyhan Şahin, Künstlername Lady Bitch Ray, zu Wort. Piehl hatte die Rapperin, Autorin, promovierte Linguistin und Feministin, in seinen Ausführungen im Zusammenhang mit einem SPD-Talk zum diesjährigen Frauentag erwähnt. Er empfahl ihr, sich Gott und seinen Werten zuzuwenden. Lady Bitch Ray verbreitete den Artikel des Gemeindebriefs über ihr Twitter-Konto und konterte auf dem Kurznachrichtendienst: „Wenn christlich-konservative Männer frauenfeindlichen und wissenschaftsleugnenden Stuss von sich geben. Der Pastor der evangelischen Gemeinde Nordstemmen äußert sich in einem Gemeindebrief zu meinem Talk mit @OlafScholz, @jagodamarinic und @EskenSaskia vor einigen Wochen.“  In einem späteren Tweet bedankt sie sich dafür, dass sich zahlreiche Pastoren und Pfarrer mit ihr solidarisiert hätten. (epd)