Landesarmutskonferenz will Druck auf Politik machen

Mit einer Landesarmutskonferenz wollen mehrere Sozialverbände und Initiativen den Druck auf die Landespolitik erhöhen. Rund 130 Vertreterinnen und Vertreter aus knapp 30 Verbänden kamen am Mittwoch in Burg zusammen, um einen Sprecherrat zu wählen sowie eine Gründungserklärung und eine Geschäftsordnung zu beschließen. „Die Armutszahlen steigen, die soziale Ungleichheit wächst“, sagte die Vorsitzende des Präsidiums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Sachsen-Anhalt, Barbara Höckmann.

Rund 430.000 Menschen seien in Sachsen-Anhalt von Armut betroffen – das sei jeder Fünfte. Besonders gefährdet seien Kinder und Jugendliche. Jedes vierte Kind und jeder dritte junge Erwachsene sei von Armut betroffen, hieß es.

Inflation und Energiekrise hätten das Auseinanderdriften der Gesellschaft verstärkt, sagte Höckmann: „Wir wollen den gesellschaftlichen Skandal der Armut öffentlich machen.“ Dazu habe sich die Landesarmutskonferenz mehrere Ziele gesetzt, sagte die Awo-Präsidentin. Zum einen fordern die Mitglieder von der Landesregierung die Wiederauflage eines Armutsberichts. Der letzte sei 2013 erstellt worden.

Zum anderen würden 40 bis 60 Prozent der Betroffenen nicht die Sozialleistungen erhalten, die ihnen zustehen würden. Daher wolle man in einem Pilotprojekt eine unabhängige Sozialberatung aufbauen, die niederschwellig sei und möglichst viele Menschen erreiche.

Zu den Zielen gehöre auch, einen sogenannten Schattenbericht zu erstellen. Er soll Armut aus der Perspektive der Betroffenen aufgreifen. Angestrebt sei zudem eine wissenschaftliche Begleitung durch die Hochschule Magdeburg-Stendal.

Zu den rund 30 Gründungsmitgliedern gehören neben der Awo der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen-Anhalt, der Landesverband des Paritätischen sowie des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Auch die Tafel sowie der Kinderschutzbund Sachsen-Anhalt zählen zu den Initiatoren. Dem vierköpfigen Sprecherrat, der am Mittwoch gewählt wurde, gehören neben Höckmann auch Martin Mandel vom DGB, Mamad Mohamad vom Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen (Lamsa) sowie Susan Vogel von der Fachgruppe Soziale Arbeit der Hochschule Magdeburg-Stendal an.

Die kirchlichen Sozialverbände Diakonie und Caritas haben zwar Vertreter zu der Gründungsversammlung entsendet, gehören aber nicht zu den Gründungsmitgliedern. Hier seien noch Abstimmungsprozesse nötig, erklärte Steffi Schünemann, Vorständin Sozialpolitik bei der Awo. Man sei aber für weitere Mitglieder offen.

Der frühere Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, sagte, Armut sei nicht nur eine statistische Größe, sondern bedeute auch mangelnde Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Nach gängiger Definition gilt als armutsgefährdet, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung verfügt.

Sachsen-Anhalts Sozialstaatssekretärin Susi Möbbeck (SPD) sagte in ihrem Grußwort, es gehe vor allem um die Bekämpfung relativer Armut, die in Abhängigkeit vom Durchschnittseinkommen der Gesellschaft stehe. Armutsgefährdet seien neben Kindern und Jugendlichen auch Alleinerziehende, Senioren und Menschen mit Behinderungen.