“L’amour toujours”: Forscher sieht Normalisierung von Extremismus

Eine „Normalisierung“ des Extremismus sieht der Experte Andreas Zick mit Blick auf den ausländerfeindlich umgedichteten Party-Song „L’amour toujours“. Woran das liegt und was zu tun ist.

Mit Alkohol und Partystimmung fallen oftmals die Hemmungen
Mit Alkohol und Partystimmung fallen oftmals die HemmungenImago / Frank Sorge

Dass der mit rechtsextremen Parolen mitgegrölte Party-Song „L’amour toujours“ auf so große Resonanz stößt, zeigt nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick eine „Normalisierung“ des Extremismus. Es gebe „eine erlebnisorientierte Allianz von Menschen, die an ausgrenzende nationale Identitäten glauben und rechtsradikale Einstellungen gerne offen teilen“, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In der Mitte der Gesellschaft würden Stereotype, Vorurteile, rechtsradikale Ideologie stärker angenommen, weil sie dort auf Ressentiments treffen, erläuterte der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Die Popkultur schaffe die Erlebnisplattform für die Gemeinschaft und den Moment.

Social Media: Songs mit populistischen Parolen werden schneller verbreitet

Die extreme Verbreitung zeige zudem eine Akzeptanz von Vorurteilen und Menschenfeindlichkeit in der Mitte, erläuterte Zick. Im digitalen Zeitalter würden Videos von Songs mit extremistischen oder populistischen Parolen schneller als früher bei den Menschen ankommen. Die Ergänzungen des Liedtextes mit „Deutschland den Deutschen“ und der Parole „Ausländer raus“ seien die Kernideologien des Rechtsextremismus.

 

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Zudem schafft laut Zick ein solcher mitgegrölter Pop-Song eine Gemeinsamkeit und eine Brücke in die Gesellschaft: „Das Herabwürdigen der einen und die Selbstüberhöhung schaffen Anschluss“. Laut Studien seines Instituts sei die Akzeptanz gegenüber rechtsextremen Einstellungen besonders unter jüngeren Menschen gewachsen, erklärte der Wissenschaftler. „Es entsteht infolge der Coronapandemie eine neue rechtsradikale Orientierung, die quer durch die Schichten geht.“

Umfrage: Mehr als 360 Polizeieinsätze wegen „L’amour toujours“

Für das Mitgrölen von rechtsextremen Parolen sieht der Wissenschaftler unterschiedliche Motive. Eine Rolle könne der Tabubruch, der Verstoß gegen Normen spielen. Das gelinge in einer Partystimmung leichter und könne ansteckender sein. Einige junge Menschen würden vorgeben, gar nicht zu verstehen, was an „Ausländer-raus-Rufen“ so schlimm sei. Eine Rolle spiele aber auch, dass einige junge Menschen ressentimentgeladener eingestellt seien, als viele vermuteten.

Eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland in allen Bundesländern ergab, dass rechtsextremistische Parolen zum Popsong „L’amour toujours“ in den vergangenen Monaten zu mehr als 360 Polizeieinsätzen geführt haben. Ende Mai hatte sich ein auf Sylt aufgenommenes Handyvideo im Internet verbreitet, in dem Partybesucher das umgetextete Lied singen.