KZ Neuengamme gedenkt virtuell

Ohne Öffentlichkeit legt Hamburgs Bürgermeister zum Jubiläum der Befreiung einen Kranz nieder. Doch die Feier soll nachgeholt werden.

Das ehemalige Stammlager in Neuengamme
Das ehemalige Stammlager in NeuengammeFumaro / Wikimedia Commons

Hamburg. Es war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden: Mit einer Feierstunde erinnert Hamburg am Sonntag, 3. Mai, an die Befreiung des KZ Neuengamme vor 75 Jahren. Wegen der Corona-Pandemie findet die Gedenkfeier virtuell statt. Auf der Homepage sind von Sonntag an Redebeiträge von ehemaligen Häftlingen, Vertretern der Opferverbände und Politikern zu sehen. Bürgermeister Peter Tschentscher und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (beide SPD) werden ohne Öffentlichkeit auf dem Gelände in einem stillen Gedenken einen Kranz niederlegen. Die Erinnerung an die Opfer sei auch ein Zeichen gegen Populismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, sagte Tschentscher. Die Gedenkfeier soll im nächsten Jahr am 3. Mai nachgeholt werden.

Mit seinen 85 Außenlagern war das KZ Neuengamme Zentrum für ganz Nordwestdeutschland. Die Außenlager reichten von Ladelund und Flensburg an der dänischen Grenze bis nach Salzgitter und Osnabrück in Niedersachsen und Wöbbelin in Mecklenburg. 13 Außenlager gab es in Hamburg, zehn in Bremen und sieben in Hannover. Rund 28.000 Männer und mehr als 1.000 Frauen arbeiteten dort noch im März 1945 für Wirtschaft, Staat und SS. Sie bauten Bunker und Industrieanlagen, beseitigten Trümmer und besserten Straßen aus.

Ende 1938 errichtete die SS in einer stillgelegten Ziegelei in dem Hamburger Dorf Neuengamme ein Außenlager des KZ Sachsenhausen. Im Frühsommer 1940 wurde es eigenständig. Im Verlauf des Krieges deportierten Gestapo und SS Zehntausende Menschen aus Deutschland und besetzten Ländern nach Neuengamme, vor allem aus Polen und der Sowjetunion. Gründe für die Einweisung waren zumeist Widerstand gegen die deutsche Besatzung oder Auflehnung gegen Zwangsarbeit. Ab 1944 kamen auch Juden aus europäischen Ländern nach Neuengamme. Insgesamt wurden etwas mehr als 100.000 Häftlinge registriert.

Auf „Todesmärsche“ geschickt“

Mindestens 42.900 Menschen kamen im Hauptlager, in den Außenlagern, bei Todesmärschen und dem Bombardement von KZ-Schiffen ums Leben. Ab 1942 hatte das KZ Neuengamme ein eigenes Krematorium. Mehrere tausend Häftlinge starben zudem nach ihrem Abtransport aus dem KZ Neuengamme in anderen Konzentrationslagern oder nach Kriegsende an den Folgen der KZ-Haft.

Ende April 1945 begann die Räumung des Hauptlagers. Unter unmenschlichen Bedingungen wurden die Häftlinge auf „Todesmärsche“ geschickt: Sie kamen zu Fuß oder in Güterwaggons in „Auffanglager“ wie Wöbbelin, Sandbostel oder Bergen-Belsen. Die meisten Häftlinge starben dort. Als keine Ausweichlager mehr zur Verfügung standen, wurden drei Schiffe, darunter die „Cap Arcona“, beschlagnahmt und mit Häftlingen beladen. Bei Gefechten mit der britischen Luftwaffe am 3. Mai 1945 in der Lübecker Bucht kamen rund 6.600 Häftlinge ums Leben.

Schmerzhaftes Jubiläum

Als britische Soldaten am 4. Mai 1945 das KZ Neuengamme einnahmen, war es nahezu leer. Die SS-Leute und fast alle Häftlinge hatten es bereits am 2. Mai verlassen, nur einzelne Häftlinge hatten sich hier versteckt. Nach Kriegsende wurden hier anfangs entlassene Häftlinge, später NS-Verbrecher untergebracht. 1948 übernahm die Stadt das Gelände, um es als Gefängnis zu nutzen. Ende der 60er Jahre wurde hier ein weiteres Gefängnis gebaut. Vor allem auf Druck der Opferverbände wurde 1989 die Verlagerung der Gefängnisse beschlossen, die 2006 abgeschlossen wurde. Die KZ-Gedenkstätte als Ausstellungs- und Begegnungszentrum gibt es seit 2005.

Es sei sehr schmerzhaft, zum 75. Jahrestag der Befreiung nicht zu einer Gedenkveranstaltung zusammenkommen zu können, sagte Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte. Trotz ihres hohen Alters hatten 14 Überlebende des KZ Neuengamme und seiner Außenlager sowie mehr als 600 Angehörige ehemaliger Häftlinge aus aller Welt ihr Kommen zugesagt. „Ihnen wollen wir zeigen, dass sie nichts verpassen, wenn sie am 3. Mai nicht in Neuengamme sein können“, ergänzte Hanno Billerbeck, Pastor an der KZ-Gedenkstätte. So versuche man das Gedenken zu feiern, ohne jemanden zu gefährden. (epd)