Kurschus-Rücktritt: „Ich bin erschüttert über das Krisenmanagement der EKD“

Der Rückzug von Annette Kurschus tut unserer Gastautorin Beate Sträter weh. Die EKD-Synodale kritisiert das Krisenmanagement und stellt einige Fragen.

Im Bielefelder Landeskirchenamt erklärte Annette Kurschus ihren Rücktritt
Im Bielefelder Landeskirchenamt erklärte Annette Kurschus ihren Rücktrittepd-bild / Detlefe Hese

Der Rücktritt von Annette Kurschus tut mir weh. Ich bin traurig, dass wir mit ihr eine Ratsvorsitzende verlieren, die unmissverständlich klar in ihren theologischen und gesellschaftlichen Positionen ist und dies mit großer Sprachkraft zum Ausdruck bringen kann. Ich habe sie im Übrigen als einen absolut integren und vertrauenswürdigen Menschen kennengelernt.

Dieser Rücktritt tut mir auch weh, weil ich erschüttert darüber bin, wie mit dieser sicher schwierigen Situation in der EKD und ihren Gremien umgegangen wurde. Wie kann es sein, dass nach so vielen Jahren der Beschäftigung mit sexualisierter Gewalt in der Kirche kein erkennbares Krisenmanagement, keine klare Kommunikationsstrategie erkennbar war und kopfloses Reagieren die Agenda bestimmte? Mich verstört als Synodale auch das Verhalten der Präses der Synode, wenn sie einen Applaus der Synodalen für Annette Kurschus öffentlich kritisiert. Und mir bleiben viele Fragen.

Kurschus-Rückzug: Um wen geht es eigentlich?

Zum Beispiel die Frage, um wen es hier eigentlich geht. Um die Betroffenen? Die katholische Kirche treibt ihren Institutionenschutz auf die Spitze, indem sie Repräsentanten über die Schmerzgrenze hinaus immer weiter im Amt belässt. Die Evangelische Kirche betreibt Institutionenschutz, indem sie ihrer höchsten Repräsentantin das Vertrauen entzieht, ohne dass die Vorwürfe geklärt sind. Ist dies nur durch den Rücktritt von Annette Kurschus möglich? Wäre sie nicht an erster Stelle an einer Klärung interessiert? Hätte sie dieses Vertrauen nicht verdient? Wäre das nicht ehrlicher gewesen, dies auszuhalten als so zu tun, also ob wir die „Guten“ sind?

Pastorin Beate Sträter ist Mitglied der EKD-Synode
Pastorin Beate Sträter ist Mitglied der EKD-Synodeepd-bild / Norbert Neetz

Ich halte es im Übrigen für keine „Salamitaktik“, wenn aufgrund externer juristischer Expertise Informationen über das laufende Verfahren nicht in einem größeren Umfang veröffentlicht wurden, als es zur Wahrheitsfindung und zur Klarheit des Verfahrens nötig war.

Die Haltung des Betroffenenrats ist mir vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit der Institution Kirche und ihren Repräsentant*innen verständlich, nicht jedoch im Blick auf die konkrete Person. Ist den Betroffenen mit diesem Rücktritt wirklich gedient und führt dies zu einer gründlicheren Aufarbeitung der Vorwürfe? Ich glaube es nicht.

Keine Angst vor Studie zum Missbrauch

Vieles weiß ich nicht, deshalb kann ich mir kein abschließendes Urteil bilden. Und es liegt in der Natur der Sache, um die es hier geht, dass Eindeutigkeiten nur schwer herzustellen sind, wiewohl ein ernsthaftes und furchtloses Bemühen darum absolut notwendig ist. Um vieles aus dem Dunkeln hervorzuholen, dazu dient die Studie, die im Januar vorgestellt wird. Ich habe davor keine Angst, denn sie wird zeigen, was wir an unseren Strukturen und in unserer Haltung ändern müssen, um solche schrecklichen Taten zu verhindern und so gut es irgendwie geht, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Doch ich bestreite, dass dieser Rücktritt dazu beitragen wird.

Unsere Autorin
Beate Sträter (62) ist Pastorin in der Kirche im Rheinland und Mitglied der EKD-Synode.