Kurschus geht – Rücktritt an Spitze der Evangelischen Kirche

Ein Paukenschlag – nicht nur für die Protestanten: Die führende Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland tritt zurück. Annette Kurschus bestreitet aber weiter, Vorwürfe sexueller Übergriffe vertuscht zu haben.

Rücktritt an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): Nach nur zwei Jahren hat Annette Kurschus (60) ihr Amt als Ratsvorsitzende der EKD niedergelegt. Auch als Präses an der Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen ist sie mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Das teilte Kurschus am Montag vor Journalisten in Bielefeld mit.

Nach Recherchen der „Siegener Zeitung“ soll Kurschus als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er-Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein, diese aber nicht gemeldet haben. Kurschus wies erneut die Darstellung zurück, sie habe damals etwas vertuscht: „Ich habe allein Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.“ Inzwischen habe sich aber die öffentliche Debatte um den Vorgang derart zugespitzt, dass sie keine Alternative zum Rücktritt sehe.

Kurschus ist nach Margot Käßmann die zweite Frau an der EKD-Spitze, die ihre leitenden Kirchenämter vorzeitig abgibt. Käßmann trat im Februar 2010 als Ratsvorsitzende und Hannoversche Landesbischöfin zurück, nachdem sie alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei gestoppt worden war.

Die Zeitung beruft sich auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit Eidesstattlichen Versicherungen. Zudem zitierte das Blatt aus einem Schreiben des Beschuldigten, in dem dieser sich im Nachgang des Gartengesprächs über die Vorwürfe beschwerte und rechtliche Schritte androhte. Der Brief weckt aus Sicht der Zeitung deutliche Zweifel an den Schilderungen von Kurschus. Diese soll laut dem Blatt auch Patentante eines Kindes des Verdächtigen sein.

Kurschus war seit 2012 Präses und damit leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen. 2021 wurde sie zusätzlich an die Spitze des EKD-Rates gewählt. Die EKD vertritt rund 20 Millionen evangelische Christinnen und Christen in den 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen mit etwa 13.000 Kirchengemeinden.

Kurschus absolvierte nach dem Theologiestudium in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal ihr Vikariat (Vorbereitungsdienst auf den Pfarrerberuf) in Siegen-Eiserfeld, wurde Gemeindepfarrerin in Siegen und 2005 Superintendentin des Reformierten Kirchenkreises Siegen. 2019 bestätigte die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) die Präses mit großer Mehrheit für eine weitere achtjährige Amtszeit. Die EKvW ist mit rund zwei Millionen Mitgliedern die viertgrößte Gliedkirche der EKD.