Krise bei den Krisenhelfern für Familien

Sie helfen etwa wenn Eltern krank sind und sich nicht um ihre Kinder kümmern können. Obwohl Familienpfleger sehr gefragt sind, steckt der Beruf in der Krise. Was Experten dazu sagen.

Sie waschen Wäsche, kümmern sich um den Einkauf und schauen nach den Kindern. Familienpfleger unterstützen Eltern, die ihren Alltag wegen psychischer oder körperlicher Probleme nicht mehr alleine regeln können. Doch so wichtig sie als Unterstützung sind, so sehr sorgen sich die Familienpfleger in Nordrhein-Westfalen um die Zukunft ihres Berufs. Schon seit Jahren warnt der katholische Sozialverband Caritas vor Engpässen und fehlenden Ausbildungsstätten für diesen sozialen Dienst. Die zuständigen Landesministerien für Gesundheit und Familie schieben die Entwicklung auf den allgemeinen Fachkräftemangel.

Tatsächlich ist laut Caritas der fehlende Nachwuchs ein großes Problem. “Bei vielen Diensten gibt es eine hohe Nachfrage an Leistungen, die aber aus personellen Gründen nicht bedient werden können”, sagt der Sprecher der Caritas in NRW, Markus Lahrmann. Doch der Mangel sei politisch hausgemacht: “Es gibt immer weniger Fachseminare, die die Ausbildung anbieten. Das heißt: Es gibt kaum qualifizierten Nachwuchs.” Inzwischen böten in NRW nur noch drei Fachseminare die Ausbildung an. 2012 seien es noch 19 gewesen. Die Caritas selbst verfüge nicht über Ausbildungsstätten; Träger seien der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Sie seien abhängig von Fördergeldern des Landes.

Hinzu kommen laut Lahrmann Geldprobleme. Schon die Refinanzierung der Ausbildung sei nicht auskömmlich und im Jahr 2023 mit Verweis auf die Haushaltslage nicht erhöht worden. Stattdessen fokussiere sich die Landesförderung im Sozial- und Gesundheitssektor auf Kitas und die allgemeine Pflege in Krankenhäusern und Heimen. Auch bei fertig ausgebildeten Familienpflegern hätten die Träger mit den Finanzen zu kämpfen. Sie scheuten sich oft, neue Fachkräfte einzustellen, da die Auslastung der Dienste und damit die Refinanzierung der Mitarbeiter erheblich schwanke. Zudem bewilligten Krankenkassen die Familienpflege meist nur bei schwerwiegenden Erkrankungen eines Elternteils. “Häufig zieht sich die Bewilligung über Wochen hin, so dass die Leistung erst spät bei der Familie ankommt und kürzer ist als benötigt”, sagt der Sprecher.

In Regionen, in denen es an öffentlicher Förderung fehlt, bieten laut der Caritas private Pflegeunternehmen ihre Hilfe an. Deren Mitarbeiter verfügten aber nicht immer über die staatlich anerkannte Ausbildung, so Lahrmann: “Für die Familien ist es dann Glücksache, wer in den Haushalt kommt und ob die Unterstützung ihrem Bedarf entspricht.” Leider gebe es keine belastbaren Zahlen für Familien, die im Stich gelassen werden. Leistungsträger bauten oft darauf, dass Nachbarn, Verwandte und Freunde einspringen, wenn Betroffene sich keine Familienpflege leisten können.

Die für die Familienpflege zuständigen Landesministerien für Gesundheit und Familie bestreiten, dass Ausbildungsstätten fehlen. Vielmehr mangele es an Interessenten für den Beruf. “Insgesamt sind die Ausbildungszahlen und die Anzahl der Fachseminare für die Familienpflege in den letzten Jahren landesweit rückläufig”, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Im Jahr 2022 seien 138 Nachwuchskräfte ausgebildet worden, im Jahr 2023 nur noch 119. Eigentlich könnten mit der Landesförderung 300 Schulplätze gefördert werden – mit jeweils 380 Euro monatlich (bis 2019 noch 280 Euro). Ansonsten gibt es für die Auszubildenden keine Vergütung, was manch einen abschrecken dürfte, den Beruf zu ergreifen.

Für die Zukunft will die Landesregierung das Berufsfeld stärken, etwa durch eine zusätzliche Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt oder den Ausbau der Zentralstelle für Fachkräfteeinwanderung. Das Familienministerium spricht von einer “eigenen Fachkräfteoffensive für Sozial- und Erziehungsberufe”.

Solche Pläne sind laut Silvia Otten überfällig: “Wenn es so weitergeht wie bisher, wird es in 10 bis 20 Jahren keine Familienpflege mehr geben”, mahnt die Koordinatorin für Familienpflege der Caritas im westfälischen Ibbenbüren. Sie und ihre Kolleginnen arbeiten selbst vor Ort mit den Menschen und kennen die Probleme. “Es gibt so viele Punkte, an denen es hakt. Überalterung zum Beispiel. Unsere Pflegerinnen sind alle Mitte fünfzig und plus. Wenn wir in Rente gehen, kommt kaum jemand nach.” In einigen Regionen von NRW sei das schon der Fall. Im Ruhrgebiet etwa beschäftige die Caritas keinen einzigen Familienpfleger mehr.

Zudem beobachtet auch Otten einen zu hohen bürokratischen Aufwand bei einem Pflegeantrag. “Es dauert alles zu lang. Und dann ist es teilweise extrem schwierig, eine Bewilligung der Krankenkasse zu bekommen. Ich finde das für die betroffenen Familien schrecklich.” Sie unterstreicht, wie wichtig ihr Berufsstand für die Menschen ist und fordert mehr politische Aufmerksamkeit. “Es gibt in der Politik manchmal den Trugschluss, dass zum Beispiel Sozialarbeiter unsere Arbeit auffangen könnten. Aber die haben andere Aufgabenbereiche. Praktische Hilfe wie Wäschewaschen und Einkaufen, das werden die nicht tun.”