Kontroverse Debatte über Gewalt in Lützerath

Nach der Großkundgebung gegen die Abbaggerung von Lützerath geht es um die Deutung der Ereignisse. Polizei sowie Demo-Veranstalter und Aktivisten werfen sich gegenseitig Gewalt vor.

Viele Demonstranten lösen sich von der Kundgebung und strömen zur Abbruchkante oder zum Zaun rund um Lützerath
Viele Demonstranten lösen sich von der Kundgebung und strömen zur Abbruchkante oder zum Zaun rund um Lützerathepd / Meike Böschemeyer

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigt den Polizeieinsatz bei der Räumung des Ortes Lützerath und gibt Teilen der Demonstranten Schuld an gewalttätigen Zwischenfällen. Bei der Demonstration im rheinischen Braunkohlerevier habe es Provokationen, Anfeindungen und Angriffe gegen die Polizei gegeben, sagt der CDU-Politiker. Ein nicht unerheblicher Teil der Demonstranten habe den abgesprochenen Demonstrationsweg verlassen und die Konfrontation mit den Beamten gesucht.

Die Vorwürfe einer Demo-Sanitäterin, die Polizei habe systematisch auf den Kopf geschlagen und es seien mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt worden, werde genau geprüft. Der CDU-Politiker fordert vonseiten der Demonstranten konkrete Belege für die Vorwürfe. Sollte sich ein Polizeibeamter nicht an die Regeln gehalten haben, „kriegt er ein Problem“, sagte der Minister. Umgekehrt gelte das genauso mit Blick auf die Gewalt durch Demonstranten, etwa beim Werfen von Molotowcocktails oder Raketen.

Verantwortung liegt bei Politik

Aktivisten und Veranstalter haben den Einsatzkräften Gewalt gegen Demonstranten vorgeworfen. Sie betonten aber, die Verantwortung für die Konfrontation am Tagebau liege letztlich bei der Politik, vor allem bei der schwarz-grünen Landesregierung, die sich für eine fortgesetzte Braunkohleförderung bis 2030 entschieden habe, obwohl die Kohle unter Lützerath für eine gesicherte Energieversorgung nicht gebraucht werde.

Iza Hofmann vom Sanitäter-Team der Demo-Organisatoren sprach von einer hohen Zahl verletzter Demonstranten im „zwei- bis dreistelligen Bereich“. Mehrere Menschen seien lebensgefährlich verletzt worden. Sie sprach von Knochenbrüchen und überwiegend Kopfverletzungen. Detaillierte Angaben wolle sie nicht machen, um die Betroffenen vor Repressionen und einer Strafverfolgung durch die Polizei zu schützen.

Die Polizei Aachen widersprach den Vorwürfen. Es sei niemand lebensgefährlich verletzt. Neun Aktivisten seien mittels Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht worden. Einen Rettungshubschrauber-Einsatz könne man nicht bestätigen.

Blockade ist zu Ende

Seit Montag ist der Weiler vollständig geräumt. Am Mittag verließen die beiden letzten Klimaschutzaktivisten, die sich Pinky und Brain nennen, augenscheinlich wohlbehalten und freiwillig die selbst gegrabene unterirdische Konstruktion, in der sie fast eine Woche ausgeharrt hatten, um gegen eine Abbaggerung der Ortschaft und der darunter liegenden Braunkohle zu protestieren. Die Werksfeuerwehr des Energiekonzerns RWE war zuletzt für die Verhandlungen mit den Männern zuständig.

Rund 300 Menschen waren aus den verlassenen Gebäuden und aus Baumhäusern geholt worden. Die Mehrheit von ihnen verließ Lützerath freiwillig.

Zu der Großkundgebung von Umweltverbänden, Klimabündnissen und lokalen Initiativen waren nach Schätzungen der Polizei 15.000, nach Veranstalterangaben 35.000 Menschen ins rheinische Braunkohlerevier zwischen Keyenberg und Lützerath gekommen. Während vielerorts der Protest friedlich verlief, war es vor allem an der Abbruchkante zum Tagebau und am Absperrzaun rund um Lützerath zu Konfrontationen zwischen Einsatzkräften und Demonstranten gekommen.