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Kommunikation heute: Klarheit und Respekt statt Floskeln

Briefe, E-Mails und Kurznachrichten werden immer kürzer, knapper und zielgerichteter – Die Kommunikationstrainerin Birgit Barth sieht darin keine mangelnde Höflichkeit. „Persönlich finde ich gut, dass die Verständigung empfängergerechter wird – statt langatmiger Allgemeinplätze und Banalitäten liest man heute eher klare, direkte Sätze“, sagte die als Dozentin, Trainerin und Business-Coach tätige Barth aus dem oberpfälzischen Auerbach dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vor allem jungen Menschen gehe es darum, Distanz abzubauen und auf Augenhöhe zu kommunizieren, sagte die Betriebswirtin, die in Knigge-Seminaren moderne Umgangsformen lehrt.

epd: Frau Barth, Briefe, E-Mails und Kurznachrichten werden zunehmend kürzer, Grußformeln immer knapper – Ist das der Stil der modernen Kommunikation oder einfach nur mangelnde Höflichkeit?

Birgit Barth: Es hat ein Wandel stattgefunden, die Sprache ist nicht statisch. Vielen geht es darum, Distanz abzubauen und auf Augenhöhe zu kommunizieren. In meinen Seminaren beobachte ich, dass man die Ansprache moderner und kürzer gestalten will – etwa durch den Wechsel von formellen Grußformen wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ hin zu persönlicheren wie „Hallo Frau…“ oder „Hallo Herr…“.

epd: Warum vermeiden vor allem junge Menschen offenbar zunehmend die Anrede „Lieber Herr…“, „Liebe Frau…“?

Barth: Hier sind vor allem jüngere Menschen verunsichert. Ich erhalte häufig die Rückmeldung, dass diese Formulierung als zu abrupt oder aufdringlich empfunden wird, während kürzere, neutralere Grußformen lieber gesehen werden. Viele fragen sich, ab wann und in welchem Kontext sie etwa „Liebe Frau“ oder „Lieber Herr“ verwenden können und wie sie darauf angemessen reagieren sollen. Wir sind auch weg von dem fast unterwürfigen Schreibstil der 1950er und 60er Jahre, in denen man noch „sehr verehrte Damen und Herren“ als Anrede verwendete.

epd: Hat das mit einem schnelleren Lebensstil zu tun?

Barth: Ich denke, man schätzt heute mehr die Zeit des Lesers – also die Person, die den Brief bekommt. Wenn jemand einen Brief öffnet und auf zwei Seiten in kleiner Schrift geschriebenen Text sieht, wird er ihn oft nur kurz überfliegen. Dabei schaut man schnell, wer der Absender ist, ob der Brief persönlich unterschrieben wurde und nach Schlagwörtern, die wichtig sind. Deshalb wird die schriftliche Kommunikation immer kürzer, knapper und zielgerichteter.

epd: Was halten Sie persönlich davon?

Barth: Persönlich finde ich gut, dass die Verständigung empfängergerechter wird – statt langatmiger Allgemeinplätze und Banalitäten liest man heute eher klare, direkte Sätze. Wichtig ist dabei, dass der Ton höflich bleibt, ohne übertriebene Floskeln. Es geht darum, höflich und auf den Punkt zu kommunizieren. Nicht gespickt mit irgendwelchen Hauptwörtern, Phrasen oder Leerformeln.

epd: Das heißt, ein kurzes „Hallo“ ist gar nicht unfreundlich gemeint, sondern auch eine Respektbezeugung?

Barth: Ja, die Ansprache ist heute direkter und neutraler. So sind zum Beispiel „Guten Morgen“ oder als Kompromiss „Guten Tag“ möglich. Eine Anrede ist wichtig, weil sie persönliches Interesse am Gesprächspartner zeigt. In der schriftlichen Kommunikation ersetzen die Worte den fehlenden Blickkontakt und die Körpersprache – Dinge wie ein Lächeln, das nicht sichtbar ist. Ich kenne ein bayerisches Unternehmen, da hat die Firmenchefin Wert darauf gelegt, dass jeder Brief, jede E-Mail mit „Grüß Gott“ beginnt. Als bayerisches Traditionsunternehmen war ihr dieses Höflichkeitsritual, dieser traditionelle Gruß sehr wichtig.

epd: Was Anrede und Grußformeln betrifft: Gibt es da große Unterschiede zwischen Brief, E-Mail, SMS oder WhatsApp?

Barth: In einem Brief und einer E-Mail würde ich von Abkürzungen wirklich abraten. In einen Brief wird zudem mehr Zeit investiert, auch in die Formulierungen, die formelle Gestaltung. Auch für die E-Mail gibt es die DIN 5008 Regel, das heißt, es soll immer eine Anrede dabei sein. Hier verzichtet man eher auf „Guten Morgen“ oder „Guten Abend“, weil man ja nicht weiß, wann die Mail gelesen wird. WhatsApp als Instant-Messaging-Dienst ist eine weitere Form der Kommunikation. Auch dort gehört ein Gruß dazu, der oft mit „LG“ für „Liebe Grüße“ oder „VG“ für „Viele Grüße“ abgekürzt wird. Trotzdem möchte ich nicht, dass ausschließlich Abkürzungen verwendet werden – das fände ich schade.

epd: Wozu braucht es eine DIN-Norm für Briefe?

Barth: Die DIN 5008 ist eine Empfehlung, wie man einen Brief gestaltet. Es ist kein Gesetz, aber man kann sich gut daran orientieren. Wie viel Zeilenabstand ist zwischen Anrede und Text? Das wird einheitlich in den Unternehmen angewendet, um zu zeigen: Wir haben einen modernen Schreibstil, wir kennen diese Normen und machen das Ganze auch lesefreundlicher von der Gestaltung und Formatierung her. Dort ist auch geregelt, wie man die Anrede schreibt oder die Adresse richtig formuliert, etwa bei kirchlichen oder politischen Ämtern. Man schreibt danach nicht mehr „Sehr geehrte Frau Professor“ sondern „Sehr geehrte Frau Professorin“.

epd: Was ist mit traditionellen Formulierungen wie „Hochachtungsvoll“ am Briefende?

Barth: Das gilt als verstaubt. Dann lieber „mit vielen Grüßen“ oder mit Wünschen für einen angenehmen Wochenstart. Unschön wäre auch ein einfacher „Gruß“ ohne Zusatz zum Abschluss. Das wäre ein abrupter Abbruch des Schreibens.

epd. Wie schnell sollte man eine E-Mail beantworten?

Barth: In 48 Stunden sollte eine E-Mail beantwortet sein. Das schaffe ich offen gesagt selbst nicht immer. Ich kann mich aber auch für eine Mail bedanken und um Verständnis bitten, dass ich erst so spät antworte. Bitte, Danke und Entschuldigung! Das sind drei wichtige Wörter, die man öfter benutzen sollte.

epd: Und wenn jemand überhaupt nicht auf E-Mails antwortet?

Barth: Da muss man unterscheiden. Wenn ich jemanden persönlich angeschrieben habe und irgendwelche Informationen benötige und keine Antwort erhalte, dann würde ich schon kurz nachfragen. Etwa: „Ist meine Mail bei Ihnen angekommen?“ Ich würde höflich bleiben, keine Vorwürfe machen. Ich frage auch gerne mal am Telefon nach. Das finde ich absolut in Ordnung, weil es passieren kann, dass eine Mail in der Informationsflut untergeht. Ich hätte früher ja auch nie 80 Briefe am Tag bekommen. Mails und Nachrichten in den sozialen Medien können einen wirklich erschlagen. Daher ist ein Nachhaken erlaubt.

epd: Darf man sich beim Schreiben mit Sprachmodellen helfen lassen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren?

Barth: Oft hat man ein weißes Blatt vor sich und weiß nicht, was man schreiben soll. In Unternehmen werden Briefmuster schon lange vorformuliert, die man dann verwenden kann. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden. Jetzt hat man die KI entdeckt. Als Anregung oder Ideenquelle, als Input, um einen Anfang zu haben, finde ich es gut nutzbar. Man sollte einen solchen Text aber bitteschön auf die eigene Situation und den eigenen Schreibstil umformulieren, damit man authentisch bleibt. Das zeigt für mich auch den Respekt, den ich dem Empfänger entgegenbringe.