Schwerste Gewalttaten durch kirchliche Täternetzwerke in NRW? Eine kürzlich veröffentlichte Studie fand dafür keine Belege. Eine Kommission sieht die Kirche dennoch in der Verantwortung.
Nach der Studie über angebliche Fälle sogenannter ritueller Gewalt in mehreren katholischen Bistümern hat die Unabhängige Aufarbeitungskommission für das Bistum Münster betont, dass Betroffenen sexualisierter Gewalt grundsätzlich geglaubt werden müsse – auch wenn einzelne Schilderungen als unplausibel gelten. Eine Begleitung und Unterstützung der Betroffenen sei jetzt das Wichtigste, erklärte die Kommission am Mittwoch in Münster.
Hintergrund ist eine Anfang Oktober veröffentlichte Studie zweier Rechtsanwälte im Auftrag der Bistümer Münster und Essen sowie des Erzbistums Köln. Die Juristen hatten Vorwürfe überprüft, wonach Menschen Opfer schwerster Gewalttaten durch kirchliche Täternetzwerke geworden seien – mutmaßlich auch unter Beteiligung inzwischen gestorbener Bischöfe und Kardinäle. Die Anwälte kamen zu dem Ergebnis, es gebe keine Belege für derartige Netzwerke oder für die behaupteten rituellen Verbrechen. Als rituelle Gewalt werden Taten bezeichnet, bei denen mafiaähnliche Tätergruppen unter Berufung auf religiöse, satanistische oder kultähnliche Rituale schwerste körperliche oder sexualisierte Gewalt ausüben. Zudem, so die Behauptung, programmierten sie das Bewusstsein ihrer Opfer so um, dass diese sich nicht mehr daran erinnern.
Nach Angaben der Gutachter sind die Vorwürfe teils im Therapiekontext entstanden und können durch suggestive Einflüsse erklärt werden. Die Aufarbeitungskommission wies darauf hin, dass die befragten Personen dennoch Opfer sexualisierter Gewalt waren – in zwei Fällen durch Angehörige der katholischen Kirche, in anderen Fällen innerhalb ihrer Familien. Wenn Mitarbeitende einer kirchlichen Beratungsstelle diese Form der Verarbeitung ritueller Gewaltvorstellungen verstärkt hätten, trage das Bistum dafür Verantwortung, so die Kommission.
Das Bistum Münster hatte die Studie 2024 beauftragt, nachdem im Zusammenhang mit Anträgen auf Anerkennungszahlungen an Missbrauchsbetroffene auch Namen früherer (Erz-)Bischöfe von Münster, Essen und Köln aufgetaucht waren. Die inzwischen geschlossene “Beratungsstelle für sexuelle und rituelle Gewalt” in Münster war laut der Untersuchung über Jahre Anlaufstelle für Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten Rituelle-Gewalt-Theorie gewesen.
Die Kommission warnte zugleich davor, das Ergebnis der Studie als Beleg dafür zu werden, dass es keine Netzwerke für die Ausübung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche gegeben habe. Untersuchungen zu solchen Netzwerken stünden in Deutschland und international erst am Anfang.