Kochen geht auch ohne Worte

Schwerbehinderte Menschen sind doppelt so häufig arbeitslos wie andere Arbeitnehmer. Dabei können sie viel leisten. Das zeigt Deutschlands erstes inklusives „Better-Burger-Restaurant“ in Bonn-Bad Godesberg. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung

In der Küche des „Godesburger“ im Bonner Stadtteil Bad Godesberg geht es erstaunlich ruhig zu. Zu hören sind das Zischen der Friteuse oder das Hacken eines Messers, aber keine laut gerufenen Anweisungen oder Bestellungen. Das würde auch gar nichts bringen. Denn der Koch, der heute am Grill steht, ist gehörlos. Wenn Restaurantleiterin Sabine Widera mit Davut Dere-Knapp sprechen will, dann sucht sie Blickkontakt, zeigt auf die Kartoffeln, die Friteuse oder macht rührende Bewegungen mit der Hand.

Überdurchschnittlich motivierte Mitarbeiter

Die beiden verstehen sich auch ohne Worte. „Es funktioniert überraschend gut“, bestätigt Widera. Dere-Knapp reckt beide Daumen in die Höhe und zieht dann mit den Zeigefingern seine Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben. Will heißen: „Es klappt prima. Wir verstehen uns gut.“ Dann formt der 42-Jährige mit den Händen eine nach oben ansteigende Treppe. „Und es wird immer besser“, übersetzt seine Chefin.
Die gelernte Köchin arbeitet täglich mit behinderten Menschen zusammen, seit der Bonner Verein für gemeindenahe Psychiatrie das Restaurant im Godesberger Zentrum im September 2014 eröffnete. Fünf der neun Mitarbeiter haben Lernbehinderungen, sind psychisch krank oder autistisch. Neben Dere-Knapp gibt es einen weiteren gehörlosen Mitarbeiter. Außerdem arbeiten in dem Restaurant sechs Studentinnen auf Minijob-Basis als Bedienung.
Zwar seien die behinderten Mitarbeiter in manchen Bereichen langsamer, räumt Geschäftsführer Gerhard Wolf ein. Dafür seien sie aber überdurchschnittlich motiviert. „Sie arbeiten gerne und sind stolz darauf.“ Das Vorurteil vieler Arbeitgeber, dass Behinderte kränkeln und öfter ausfallen, kann Wolf nicht bestätigen. „Bei uns ist der Krankenstand nie­driger als in anderen gastronomischen Betrieben.“
Das hat einen Grund. Denn im „Godesburger“ werden die Mitarbeiter dank flexibler Arbeitszeitmodelle nur so stark beansprucht, wie sie es leisten können. Davut Dere-Knapp zum Beispiel hatte schon in mehreren Restaurants gearbeitet, bevor er zum „Godesburger“ kam. Doch eine 40-Stunden-Woche war aufgrund seiner Behinderung auf Dauer zu anstrengend für ihn. Er bekam gesundheitliche Probleme. Jetzt arbeitet er 30 Stunden pro Woche und fühlt sich damit wohl.
Oft kämen Behinderte in Betrieben nicht zurecht, weil keine Rücksicht auf ihre Besonderheiten genommen werde, weiß Wolf. „Man muss sich auf die einzelnen Menschen einstellen“, sagt Sabine Widera. Die Mutter dreier erwachsener Kinder hat damit kein Problem. „Die Mitarbeiter sind hier auch ein bisschen wie meine Kinder. Jeder hat eben seine Eigenheiten.“ Wenn man aber bestimmte Dinge beachte, könnten sie viel leisten.
Widera spürt sofort, wenn bei einem ihrer Mitarbeiter etwas nicht stimmt, etwa weil der Ton in der Hektik doch einmal etwas rauer war. „Hier wird immer sofort alles in Ordnung gebracht“, sagt Anneliese Freytag. Die 23-Jährige, die eine Lernbehinderung hat, kam als Praktikantin. Sie arbeitete schon in mehreren Küchen. „Da bin ich gemobbt worden.“ Im „Godesburger“ fühlt sie sich zum ersten Mal wohl und hat letzten September die Ausbildung zur Beiköchin begonnen.
Für seine erfolgreiche Arbeit erhielt das von der Stadt Bonn, der Aktion Mensch und dem Landschaftsverband Rheinland geförderte Projekt im Juli 2016 den Inklusionspreis NRW in der Kategorie „Arbeit und Qualifizierung“. Die meisten Gäste wissen allerdings gar nicht, dass es sich um ein inklusives Vorzeige-Projekt handelt, wenn sie einen saftigen Rindfleisch-Burger mit hausgemachtem Chili-Cheese-Topping oder einen vegetarischen Dinkel-Burger bestellen. „Wir wollen auch gar nicht auf der Mitleidsschiene fahren, sondern gute Produkte abliefern“, betont Geschäftsführer Wolf. Die Nachfrage sei gut.

In den Topf kommen vor allem regionale Produkte

In dem Restaurant ist bis auf Mayonnaise und Ketchup alles hausgemacht – auch die Pommes, die aus frischen Kartoffeln geschnitten werden. Die Brötchen kommen von einem örtlichen Bäcker. Deswegen auch „Better-Burger-Restaurant“, hier gibt es „bessere Burger“ als beim Schnellimbiss. Da verwundert es nicht, dass viele Gäste vor allem wegen des guten Essens gerne wiederkommen. So wie der junge Mann, der mit Frau und Kind in den hellen, holzvertäfelten Gastraum schlendert. Er hat zwar mitbekommen, dass das „Godesburger“ ein inklusives Restaurant ist. „Aber ich finde es vor allem gut, dass die hier regionale Produkte verwenden“, sagt er. „Außerdem schmeckt es.“

Hinweise: Bonner Verein für gemeindenahe Psychiatrie: www.bonner-verein.de; Restaurant Godesburger, Moltkeplatz 2, 53273 Bonn, Internet: www.godesburger.com.