Knobloch: „Wir bleiben hier!“ – Söder setzt auf Demokratie
Ein jüdisches Leben in Deutschland ohne Angst und ohne Aber muss nach den Worten von Charlotte Knobloch möglich sein. „Es muss möglich sein, weil wir es gemeinsam wollen. Weil wir uns gemeinsam weigern, aufzugeben, woran wir so fest glauben“, erklärte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern am Donnerstagabend in München. Kein Koffer solle mehr gepackt, kein Herz mehr beschwert sein. „Nicht in München. Nicht anderswo in Deutschland. Nicht in Israel. Nirgendwo.“ Nicht nur als Präsidentin der Gemeinde, sondern als Bayerin und Münchnerin sage sie deshalb: „Wir sind hier – und wir bleiben hier!“
Anlass war die Gedenkfeier sowie der Festakt zum 9. November. An diesem Tag jährte sich in München zum 20. Mal die Grundsteinlegung für die neue Hauptsynagoge „Ohel Jakob“ und das Jüdische Zentrum. Erinnert wurde zudem daran, dass auf den Tag genau vor 85 Jahren die Pogromnacht stattfand.
Sie könne nicht vergessen, sagte die heute 91-Jährige, wie sie 1938 als Mädchen, steif vor Angst an der Hand ihres Vaters, durch die Straßen dieser Stadt gelaufen sei – zwischen grölenden Horden und klirrendem Glas, inmitten von Feuer, Raub und Gewalt. Ein Mensch könne so etwas nicht vergessen, aber er könne nach viel Zeit wieder Vertrauen fassen: in eine Stadt, ein Land, seine Menschen und damit Vertrauen in eine jüdische Zukunft.
So sei es schließlich zum Neubau der Synagoge gekommen. Doch der Traum sei noch nicht zu Ende. Sichtbar sei die Gemeinde heute ohne jede Frage, betonte Knobloch, auch stolz sei man; doch sicher sei man nicht. Vor 20 Jahren sie sich noch gefragt, ob man wirklich die Räume für die Sicherheitsabteilung in den Bauplänen bis zur Eröffnung 2006 noch brauchen werde. Zwei Jahrzehnte später wisse man: Zur jüdischen Normalität gehörten auch 2023 Überwachungskameras, Metalldetektoren und kugelsicheres Glas. „Die Sicherheit, die wir haben, müssen wir gemeinsam schaffen.“
Was vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre, ist laut Knobloch heute Tatsache: Rechtsextreme säßen in den Parlamenten, offener Judenhass auf deutschen Straßen, Kämpfe gegen Deutschlands Erinnerungskultur von rechts und links sowie ein Pogrom an Juden in Israel. Deshalb gelte es an diesem Tag auch der Opfer dort sowie der mehr als 200 Geiseln zu gedenken, die von den Terroristen der Hamas weiter gefangen gehalten werden.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Gruppen wie beispielsweise die AfD dafür sorgen, dass wir Demokraten den Mut verlieren.“ An einem solchen Tag gelte es daher die Wehrhaftigkeit und Kraft der Demokratie zu zeigen. „Wir sind die Mehreren; wir sind die Stärkeren; und wir wollen, dass unsere Demokratie so bleibt, wie wir uns das vorstellen“, sagte Söder. Nach seinen Worten scheitert Demokratie dann, wenn die Demokraten den Mut verlieren. Wer jüdisches Leben angreife, greife die Freiheit der demokratischen Grundordnung an.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner versicherte, Schutz und Unterstützung jüdischen Lebens, eine nachhaltige Kultur des Erinnerns und der Kampf gegen jeden Judenhass seien feste Säulen bayerischer Politik. Wer die Erinnungskultur als „Schuldkult“ diffamiere, mit Terroristen sympathisiere, Islamismus glorifiziere und zu Hass aufrufe, der überschreite Grenzen. Niemand solle sich täuschen: „Unsere Demokratie ist wehrhaft, der Rechtstaat ist schlagkräftig.“ Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) rief dazu auf, jede Form von Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen. „Wir müssen diese Geisel der Menschheit ein für alle mal aus der Welt schaffen.“