Knobloch: „Leben in einer Zeit der Desillusionierung“

Festakt zwischen Sorge und Zuversicht: Zum 20. Jahrestag der Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums und der Hauptsynagoge München hat Charlotte Knobloch sich erschüttert gezeigt über die Ereignisse der letzten Wochen. „Was vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre, ist heute Tatsache: Rechtsextreme in unseren Parlamenten, offener Judenhass auf deutschen Straßen, Kämpfe gegen Deutschlands Erinnerungskultur von rechts und von links, jüdische Menschen, die am liebsten wieder unsichtbar sein möchten“, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern bei dem Festakt am Donnerstagabend. Dennoch gebe sie ihre Hoffnung auf ein jüdisches Leben in Deutschland ohne Angst nicht auf: „Es muss möglich sein – weil wir es gemeinsam wollen.“

Viele hätten vor der Grundsteinlegung im Jahr 2003 gehofft, dass „all die Räume für die Sicherheitsabteilung in den Bauplänen“ bis zur Eröffnung überflüssig sein könnten, erinnerte sich die 91-Jährige vor Gästen aus Politik und Gesellschaft. 20 Jahre später lebe man in einer „Zeit der Desillusionierung“. Noch immer bedeute jüdische Normalität „Überwachungskameras, Metalldetektoren, kugelsicheres Glas“.

Niemand habe vor 20 Jahren für möglich gehalten, dass es ein Pogrom an Juden in Israel geben könne, sagte Knobloch. Am 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, die „das Tor nach Auschwitz aufgestoßen“ habe, müsse man nun auch der über 1400 Opfer der Hamas und an die über 200 immer noch gefangenen Geiseln gedenken.

Knobloch erklärte, dass es leicht sei, einen Traum aufzugeben, aber immer schwer, einem Traum zu folgen. „Am 9. November vor 20 Jahren haben wir es trotzdem getan. Heute müssen wir es wieder tun“, so die Präsidentin. Ihr Traum sei dieser: „Kein Koffer soll mehr gepackt sein. Kein Herz mehr beschwert. Nicht in München. Nicht anderswo in Deutschland. Nicht in Israel. Nirgendwo.“ (00/3679/10.11.2023)