Menschen waren sich seit jeher der Bedeutung von Wasser für das Leben bewusst. Noch immer durchdringt es alle Lebensbereiche, fasziniert und inspiriert. Doch das überlebensnotwendige Elixier ist heute vielfach bedroht.
Ohne Wasser kein Leben. Pflanzen, Tiere, Menschen – alle Lebewesen sind darauf angewiesen. Das feuchte Element umgibt uns auf Schritt und Tritt, ob als Regen, beim entspannten Duschen oder dem morgendlichen Kaffeegenuss. Was so selbstverständlich wirkt, ist es längst nicht. Denn die Ressourcen sind nicht unendlich. Darauf macht die britische Anthropologin Veronica Stang in ihrem Buch “Wasser. Eine Kultur- und Naturgeschichte” aufmerksam, das passend zum Weltwassertag am 3. März erscheint. Sie geht darin der Beziehung der Menschen zum Wasser nach und zeigt, wie sehr das nasse Element Kultur, Religion, aber auch Wirtschaft und Politik durchzieht.
Menschen haben seit jeher intuitiv um die besondere Bedeutung von Wasser gewusst. Viele Kulturen teilen demnach die Vorstellung, dass alles Leben aus dem Wasser gekommen sein muss. Diese war Grundlage für viele Ursprungsmythen, etwa von indigenen Völkern und den australischen Aborigines. Auch in der Bibel ist Wasser Teil der Schöpfungsgeschichte und die anschließende Entfaltung des Lebens auf der Erde. “Das Konzept des lebendigen Wassers durchströmt in irgendeiner Form jeden kulturellen Kontext”, heißt es bei Stang.
Die Wissenschaft wird konkreter konkreter als Mythen und Bibeltexte: Leben habe es fast vier Milliarden Jahre lang ausschließlich im Wasser gegeben; erst seit etwa 450 Millionen Jahren gebe es dieses an Land, schreibt die Professorin für Anthropologie an der University of Durham. Mit der zunehmenden Kluft zwischen Glaube und Wissenschaft sei der “Glaube an eine wohlwollende lenkende Gottheit” “weltlichen Vorstellungen eines von der Natur gesteuerten hydrologischen Prozesses” gewichen, so Stang.
Auch aufgrund seiner physikalischen Wandlungsfähigkeit sei Wasser ein faszinierendes Element – “von Eis zu Flüssigkeit und von Flüssigkeit zu Dampf”. Wasser spendet demnach nicht nur Leben, sondern ist auch selbst permanent in Bewegung und im Wandel begriffen. Zugleich sei alles Leben durch Wasser verbunden und von ihm durchdrungen – der menschliche Körper etwa bestehe zu 67 Prozent daraus, werde aus dem (Frucht-)Wasser geboren. Vielleicht auch das ein Grund, warum sich Menschen am und im Wasser so gut entspannen und auf Heilquellen und Weihwasser vertrauen.
Doch das sensible Gleichgewicht, das den Wasserkreislauf am Leben hält, ist zunehmend bedroht. Stang verweist auf die schrumpfenden Gletscher – die größte Süßwasserquelle überhaupt – und vielerorts sinkende Grundwasserspiegel. Dieses führe zwangsläufig “zu steigender Konkurrenz um die Kontrolle über Wasser und zu erbitterten Kämpfen darum”. Bereits jetzt gebe es kriegerische Auseinandersetzungen um das kostbare Nass. Stang rechnet vor, dass aufgrund von Wasserknappheit rund eine Milliarde Menschen keine sichere Trinkwasserversorgung haben.
Die Wissenschaftlerin beobachtet eine eindeutige Verbindung “zwischen einem nicht zu beherrschenden Ausmaß an Wassermangel und politischer Instabilität”. Denn längst hat das Thema Wasser auch Wirtschaft und Politik erreicht. So werden Staudammprojekte von Menschenrechtlern und Umweltschützern zunehmend kritisch gesehen. Auch in den Meeren und deren sensiblen Ökosystemen beobachtet Stang deutliche Folgen von Umweltverschmutzung. Zu der materiellen Verschmutzung komme Lärmbelastung unter Wasser hinzu, die viele Arten bei der Kommunikation störe.
In Anbetracht vielfacher Herausforderungen beobachtet Stang aber auch aufkeimende Bemühungen, eine globale Zusammenarbeit im Wassermanagement zu initiieren. Es gebe Rufe nach einem weltweiten Abkommen, orientiert an der “kollektiven Verantwortung aller Länder”. Wasser darf aus Sicht der Wissenschaftlerin nicht auf H2O und rein wirtschaftliches Kapital reduziert werden
Gesellschaften sollten sich bewusst werden, “was Wasser wirklich ist, was es bedeutet und warum es wichtig ist”. Für Stang ist es “die fluide Verbindung zwischen der Menschheit und jedem Lebewesen auf der Erde”. Es lasse Leben entstehen und erhalte es. Deshalb sollte “die utilitaristische Reduktion” des Wassers einer tiefen Wertschätzung weichen. Und: Das Bewusstsein der “fluiden Zugehörigkeit” könnte auch zu gemeinsamen Anstrengungen führen, diesen so lebensnotwendigen Stoff zu schützen.