Beim Klimaschutz rudern Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland zurzeit in vielen Bereichen zurück. Das zeigt eine Studie des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg. Das Erreichen von Klimaneutralität bis 2045 erscheint demnach aktuell kaum realistisch. Laut Studienautor Stefan Aykut speist sich der sogenannte anti-ökologische Backlash aus Verunsicherung und oft auch aus Sorge, dass die Umsetzung von Klimazielen nicht gerecht abläuft. Im Gespräch nennt er Klimaklagen einen „der stärksten Treiber, der ein Erreichen der Klimaziele in schwierigen Zeiten weiter unterstützt“. Das Team der Studie erstellt eine Datenbank für Klimaklagen in Deutschland.
Wie sollte die Bundesregierung gegen den anti-ökologischen Backlash ankämpfen?
Stefan Aykut: Der anti-ökologische Backlash speist sich aus einer großen Verunsicherung und oftmals auch aus der Sorge, dass die Umsetzung der Klimaziele nicht gerecht abläuft. Die Klimawende kann aber nur gelingen, wenn eine möglichst breite gesellschaftliche Unterstützung erhalten bleibt. Die derzeitige Bundesregierung sollte daher insbesondere auf eine langfristig verlässliche, also planbare Umsetzung schon beschlossener Maßnahmen sowie auf eine sozial gerechte Umsetzung Wert legen. Darüber hinaus gilt es, zivilgesellschaftliche Bündnisse, gemeinnützige Organisationen und Kommunen zu stärken, weil diese einen gewissen Schutz gegen den drohenden Rückbau von Klimaschutz bieten.
Welche Chancen bieten Klimaklagen, und welche Risiken gehen von ihnen aus?
Klimaklagen sind aktuell einer der stärksten Treiber, der ein Erreichen der Klimaziele in schwierigen Zeiten weiter unterstützt. Klimaklagen wirken dadurch, dass sie oft aufeinander aufbauen und die Prozesse immer eine gewisse Zeit dauern, und sie unterstützen die Klimawende auch dann eine Zeitlang weiter, wenn der politische Wind sich dreht. Es gibt aber auch ein Risiko, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass Gerichte der Politik zu weit voraus sind. Dann besteht die Versuchung, Gesetze abzuschwächen oder Gerichtsurteile anzuzweifeln.
Beim sogenannten Hamburger Zukunftsentscheid hat sich eine Mehrheit der Hamburger Bevölkerung für ein schnelleres Erreichen der Klimaneutralität in der Stadt ausgesprochen. Ist mehr Eile der richtige Weg oder birgt er die Gefahr, dass dadurch der anti-ökologische Backlash – zumindest in Hamburg – zunimmt?
Der Hamburger Klimaentscheid sieht nicht nur ein Vorziehen des Ziels der Klimaneutralität vor, sondern auch eine bessere Planbarkeit durch jährliche Ziele und eine Klausel der Sozialverträglichkeit, d.h. dass Klimaschutzmaßnahmen immer auch auf ihre sozialen Folgen hin überprüft werden sollen. Diese beiden letzten Punkte erscheinen mir noch zentraler als die Stärkung des Klimaziels. Jetzt gilt es, die Entscheidung umzusetzen und dabei umsichtig und inklusiv vorzugehen, damit Hamburg ein Vorbild für andere Länder und Kommunen werden kann.
Info: Publikation: Klimawende Ausblick 2025. Band 2: Plausibilität der Transformation in Zeiten von anti-ökologischem Backlash und abnehmender Resonanz. Transcript Verlag
