Kleinbauern in Brasilien kämpfen gegen internationalen Raubbau

Auf der ungepflasterten, staubigen Landstraße im Osten des brasilianischen Amazonasgebietes brausen Lastwagen vorbei. Sie sind beladen mit langen, dünnen Holzstämmen aus den gleichförmigen Eukalyptusplantagen, die den linken Straßenrand säumen. Zur Rechten erstrecken sich abgeerntete Sojafelder, soweit das Auge reicht. Spärliche Reste des Regenwaldes gehen in die früher artenreiche Cerrado-Savanne über.

Auf der UN-Klimakonferenz in Dubai wird wieder einmal wortreich der Schutz Amazoniens beschworen. Die Praxis aber sieht anders aus: Brasiliens Rohstoffexporte auf Kosten von Mensch und Natur schnellen weiter in die Höhe, und Deutschland macht mit.

Die Kleinbauernsiedlung Francisco Romão, eine Autostunde nordwestlich der Stadt Açailândia, ist eine grüne Insel im ockerfarbenen Sojameer. Unter einem üppigen Mangobaum hat sich ein Stuhlkreis gebildet. In der Mitte liegen, liebevoll arrangiert, Tropenfrüchte in allen Größen, eine Hacke und Informationsbroschüren. Die Besucher, darunter Mitarbeiter des katholischen Hilfswerks Misereor und seiner Partnerorganisationen, hören den Bewohnerinnen zu, die ihre schwierige Lage schildern.

Seit 250 Landlosen-Familien 2007 nach jahrelangem Kampf hier Grund und Boden zugewiesen bekamen, leben sie von dem, was sie anbauen. Doch das wird immer schwieriger: Auf nahegelegenen Bahngleisen rattern rund um die Uhr die langen Eisenerz-Züge des Bergbauriesen Vale vorbei, erschüttern Häuser und Wassertanks, der feine Eisenstaub legt sich auf die gesamte Umgebung. „2018 kamen auch noch die Sojafelder dazu, die mit starken Agrargiften besprüht werden“, berichtet Alzeneide Prates, 44, von der Fraueninitiative „Samen des Landes“. „Seitdem haben noch mehr von uns dauerhafte Kopfschmerzen, und die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle ist auch gestiegen.“

Hinzu kommt der Druck von Großfarmern auf die Bauern, ihre Felder für den Soja-Anbau zu verpachten oder gar ganz zu verkaufen. Das geht bis hin zu Morddrohungen. Folglich sind zwei Drittel der Einwohner weggezogen, die allermeisten in den letzten fünf Jahren. 85 Familien halten noch durch.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Misereor-Partners Justiça nos Trilhos (Gerechtigkeit entlang der Gleise) leiten sie in neuen Anbautechniken an und leisten juristische Hilfestellung, um dem Konzern Vale Entschädigungszahlungen oder einen Gesundheitsposten abzutrotzen. Und sie informieren über die Lage im Bundesstaat Maranhão, auch international.

892 Kilometer lang ist die Bahnlinie von der riesigen Carajás-Mine im Regenwald bis zum Atlantikhafen in São Luís. Ähnlich bedroht wie die Kleinbauern von Francisco Romão sind afrobrasilianische und indigene Gemeinschaften entlang der Strecke, nachweislich die besten Schützer des Regenwaldes. Von der ursprünglichen Vegetation ist aber kaum noch etwas übrig. In der Cerrado-Savanne wird noch schneller abgeholzt als im Amazonasgebiet.

Riesige Eukalyptusplantagen zur Holzkohleproduktion für „grünen Stahl“ saugen den Boden aus, das Grundwasser sinkt, Flüsse vertrocknen. Die Dürren nehmen zu, und auch hier werden Rekordtemperaturen gemessen. Präsident Lula da Silva treibt die Ölförderung voran, auch in Amazonien. In Dubai ernannten Umweltaktivisten Brasilien dafür zum „Fossil des Tages“.

Mineralische und Getreideexporte gehen vor allem nach Europa und nach China. Deutsches Kapital fließt in neue Bergbauprojekte. Agrarmultis wie Bayer oder BASF liefern immer mehr Pestizide, die in der EU längst verboten sind. Und auch die Deutsche Bahn wird sich an einem Milliardenvorhaben beteiligen: Eine weitere, 520 Kilometer lange Schienentrasse soll zu einem Tiefseehafen bei São Luís führen, um die „große Nachfrage nach Transportleistungen“ für Getreide und mineralische Rohstoffe zu befriedigen, erklärte die Bahn-Tochter ECO Group im Februar.

Betroffen wären nicht nur die Anliegergemeinschaften, sondern auch drei Naturschutzgebiete, kritisiert der Verein „Rettet den Regenwald“. Die Einwände der betroffenen Menschen werden schon im Vorfeld kleingeredet oder ganz ignoriert. Alzeneide Prates kennt das nur zu gut. „Wir verteidigen unsere Mutter Erde“, sagt die Kleinbäuerin. „Wir halten hier die Stellung, das ist unser Zuhause.“