Kleiderspenden: „Früher wurde nicht so viel weggeworfen“

Jährlich werden in Deutschland eine Million Tonnen Altkleider von gemeinnützigen Organisationen eingesammelt. Dazu gehört die Brockensammlung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld.

Die Kleiderspenden werden in großen Plastiksäcken auf Lkws verladen und in Partner- Sortierbetriebe gebracht – meist nach Holland. Eine Lkw-Ladung fasst rund 8,5 Tonnen Kleidung
Die Kleiderspenden werden in großen Plastiksäcken auf Lkws verladen und in Partner- Sortierbetriebe gebracht – meist nach Holland. Eine Lkw-Ladung fasst rund 8,5 Tonnen KleidungBrockensammlung Bethel

In vielen Orten gibt es Altkleidercontainer. Was passiert mit den Kleidern, nachdem man sie eingeworfen hat?
Elke Zebrowski: Unsere Container werden regelmäßig geleert. In unserem näheren Umfeld, also im Raum Bielefeld, geschieht das durch Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Ware wird dann zu unserem Standort „Am Beckhof“ gebracht. Von dort organisieren wir Altkleidersammlungen in ganz Deutschland. Die Kleiderspenden werden da auf sogenannte Lkw-Brücken verladen und in Partner-Sortierbetriebe meistens nach Holland gebracht.

Was sind das für Betriebe?
Diese Partner-Betriebe haben sich ebenfalls freiwillig zu einem transparenten Umgang mit den Altkleidern verpflichtet. Alles wird von Hand sortiert in rund 200 Kategorien. Zum Beispiel ist da die „Creme-Ware“, die wird in Europa auf Secondhand-Märkten verkauft. Das sind fast neue Sachen­. Die werden dann sortiert nach Kleidungsart wie Jeans, Pullis, Lang- und Kurzarm-Shirts und so weiter.

Elke Zebrowski ist Fachfrau für Marketing bei der Brockensammlung
Elke Zebrowski ist Fachfrau für Marketing bei der BrockensammlungBrockensammlung Bethel

Wie viel der gesammelten Kleidung ist in dieser Kategorie?
Das sind zwei bis vier Prozent. Insgesamt sind etwa 50 Prozent der gespendeten Ware tragbare Kleidung. Die Secondhand-Sachen werden an Zwischenhändler verkauft und gehen in die gesamte Welt, wo sie dringend benötigt werden.

Macht das nicht den Markt vor Ort kaputt?
Das Problem für die lokale Produktion ist nicht der Secondhand-Kleidermarkt, sondern die Importe von Billigkleidung aus Niedriglohnländern. Auch die traditionellen Stoffe stammen immer häufiger nicht aus afrikanischer Produktion. Aber die Altkleider­importe sind nicht hauptverantwortlich für den Niedergang der heimischen Textilproduktion. Vielmehr haben veraltete und unwirtschaftliche Strukturen dazu geführt, dass die einheimischen Hersteller nicht konkurrenzfähig waren.

In einigen Ländern wurden Importreduzierungen zum Teil wieder­ aufgehoben, weil die Bevölkerung schlicht auf die Second­hand-Kleidung angewiesen ist. Dies ist bei rund 80 Prozent der Weltbevölkerung so. Studien zeigen, dass die Vorteile die Nachteile dabei deutlich überwiegen. Ausführliche Informationen dazu gibt es bei unserem Dachverband FairWertung.

Die Menschen in Afrika tragen also unsere ausrangierten Kleider?
Ja. Wir wissen aber, dass gerade in Afrika viele der Kleidungsstücke geändert und angepasst werden. Da gibt es viele Schneiderinnen und Schneider, die sich so ihren Lebensunterhalt verdienen.

Was passiert mit den anderen 50 Prozent – dem Teil der nicht mehr tragbaren Kleidung?
Aus dem Großteil werden Putzlappen gemacht oder es wird weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Malervlies. Im Durchschnitt enden nur etwa fünf Prozent der Spenden in der Müllverbrennungsanlage. Bei uns sogar noch weniger. Wir merken, dass bei der Brockensammlung viel Ware dabei ist, die in Ordnung ist. Ich denke, die Menschen wollen Bethel etwas Gutes tun.

Wenn man Kleiderspenden abgibt, worauf sollte man achten?
Die Sachen sollten sauber, gewaschen und tragbar sein. Das gilt auch für das, was man in die Container wirft. Ein guter Anhaltspunkt ist immer, ob man die abzugebenden Sachen auch ruhigen Gewissens seiner Verwandtschaft oder Nachbarn geben könnte.

Wie sieht es mit Unterwäsche, Bettwäsche, Tischdecken oder Schuhen aus?
Unterwäsche und Socken werden aus hygienischen Gründen nicht weiterverkauft. Nur Neuware, das muss dann noch erkennbar sein. Bettwäsche, Handtücher oder Tischdecken werden gern genommen. Schuhe werden auch gern genommen, aber nur paarweise und gebündelt. Mit Einzelschuhen können wir nichts anfangen.

In vielen Gemeinden finden Sammlungen statt: Vorher werden leere Plastiksäcke verteilt, die dann gefüllt zu einem bestimmten Termin abgeholt werden
In vielen Gemeinden finden Sammlungen statt: Vorher werden leere Plastiksäcke verteilt, die dann gefüllt zu einem bestimmten Termin abgeholt werdenBrockensammlung Bethel

Kommt das oft vor?
Wir bekommen immer wieder einzelne Schuhe mit dem Hinweis darauf, dass es doch auch Menschen gibt, die ein Bein verloren haben. Das stimmt zwar, aber das wäre dann doch ein großer Zufall, dass der dann genau den einzelnen Schuh in der passenden Größe erwischt. Überhaupt bitten wir sehr darum, keinen Abfall in den Containern zu entsorgen. Es gibt nichts, was wir nicht schon in Containern gefunden haben.

Was tun, wenn der Container voll ist?
Auf keinen Fall die Ware davor abstellen. Denn da braucht es nur einmal zu regnen oder in der Nacht feucht werden, dann ist das alles Müll. Auf den Containern steht in der Regel eine Telefonnummer, dort kann man anrufen und Bescheid geben, wenn nichts mehr hineinpasst. Das hilft uns sehr. Dann kommen wir so schnell wie möglich zum Leeren.

Hat sich die Menge der Kleider oder die Qualität im Lauf der Zeit geändert?
Früher wurde nicht so viel weggeworfen. Da wurde auch mehr selbst genäht, manche Kleidungsstücke sind bei den Kindern mitgewachsen – da wurde ein breiter Saum gemacht und die Hose oder der Rock konnten verlängert werden. Heute kann man froh sein, wenn jemand noch einen Knopf annähen kann. Aber wir merken auch, dass die Qualität schlechter wird. Es ist Billigware dabei, die nach ein paar Mal Waschen aus der Form gerät. Fast Fashion und mittlerweile Ultra Fast Fashion trägt leider nicht dazu bei, dass die Qualitäten besser werden.

Also landet heute mehr in der Altkleidersammlung?
Das auf jeden Fall. Aber wir merken auch, dass die Menschen derzeit nicht mehr so viel kaufen. Und durch Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine oder das Hochwasser im Ahrtal landet auch weniger bei uns. Da wurde zentral zu Spenden aufgerufen und die Bevölkerung kam dem nach.

Man hört auch immer wieder mal von „Upcycling“, also dem Aufwerten und Umgestalten von gebrauchter Kleidung.
Das kommt tatsächlich immer öfter vor. Aber die Teile sind dann oft auch teuer. Da wird ein Pulli schon mal für 300 Euro oder ein Bikini für 180 Euro verkauft. Gebrauchte Teile ändern, verschönern oder so ist sicher eine gute Möglichkeit, aber man muss auch sehen, dass Textilien irgendwann ein Ende haben, es kann nicht alles endlos recycelt werden.

Woher kommt der Begriff „Brockensammlung“?
Den hat Pastor Friedrich von Bodelschwingh 1890 geprägt. Der Bethel-Gründer hat gesehen, dass viele Dinge weggeworfen werden, die andere Menschen durchaus noch brauchen könnten. So nahm die Brockensammlung ihren Anfang. Gesammelt wurde alles Mögliche und in den Werkstätten der v. Bodelschwinghschen Stiftungen wurden gespendete Dinge repariert. Gleichzeitig hat die Brockensammlung für Arbeitsplätze gesorgt. Der Begriff geht auf die Bibelstelle im Johannesevangelium zurück: Sammelt die übrigen Brocken, auf dass nichts umkomme (Johannes 6,12). Friedrich von Bodelschwingh war ein Pionier des Recycelns.

Weitere Informationen gibt es auf www.fairwertung.de oder unter www.brockensammlung-bethel.de.