Frauke Brosius-Gersdorf hat viel Kritik aus kirchlichen Reihen erhalten. Sie erhält aber auch Unterstützung – von Theologen, der Reforminitiative Maria 2.0 und sogar von einem Bischof.
Die Kritik aus der katholischen Kirche am Umgang mit der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf wird lauter. “Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden”, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, der “Augsburger Allgemeinen” (Freitag). Auf die Frage, ob Vertreter der Kirche die Diskussion um die Verfassungsrichterwahl angeheizt hätten, sagte Bätzing: “In dieser gesamten Debatte ist viel schiefgelaufen.” Viele Personen, die mit der Richterwahl befasst seien, seien dadurch beschädigt worden.
Weiter sagte Bätzing, dass es sich bei der Causa um eine Personalfrage handle, die von der Politik gelöst werden müsse. “Ich möchte mich nicht zu der Kandidatin äußern, das ist Aufgabe der Politik”, so Bätzing.
Die Initiative Maria 2.0 kritisierte in einer Stellungnahme am Donnerstag namentlich die Bischöfe Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Herwig Gössl (Bamberg). Letzterer steht für seine Predigt am Sonntag in der Kritik, in der er von einem “Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung” sprach. Das seien Formulierungen, die mehr polarisierten als zur sachlichen Auseinandersetzung beizutragen, so Maria 2.0. Damit befeuere die Kirche die Argumentation konservativer und rechter Akteure in einem politischen Streit, ohne sich im Detail mit den juristischen Positionen von Brosius-Gersdorf zum Schwangerschaftsabbruch auseinandergesetzt zu haben.
Es sei gutes Recht der Kirche, ihre klare Position in bioethischen Fragen wie dem Lebensschutz zu vertreten. Wenn sie jedoch in politische Entscheidungsprozesse eingreife, ohne die Faktenlage zu prüfen, gefährde sie sowohl konstruktiven Dialog als auch die Glaubwürdigkeit eigener moralischer Ansprüche, so die Initiative.
Auch der katholische Theologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl äußerte sich kritisch: Er halte die Einbringung von kirchlicher Seite in die Debatte in vielerlei Hinsicht für unglücklich, sagte Lob-Hüdepohl der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Die Entscheidung allein von der dann auch noch falsch fixierten Position zum Schwangerschaftsabbruch abhängig zu machen, halte ich für fatal.”
Brosius-Gersdorf war von der SPD als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden. Die für vergangenen Freitag geplante Wahl kam nicht zustande, nachdem in der Unionsfraktion Vorbehalte gegen die Juristin laut geworden waren, vor allem wegen ihrer Haltung zur Menschenwürde von ungeborenen Kindern. Im Zentrum der Kritik stand unter anderem ein Satz der Verfassungsrechtlerin in einem Kommissionsbericht zum Thema Abtreibung aus dem vergangenen Jahr. Darin schreibt sie: “Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.”
Gegen die Vorwürfe setzte sich Brosius-Gersdorf jedoch zur Wehr. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die Juristin am Dienstagabend: “Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt.” Falsch sei auch, “dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat”.