Kirchenpräsidentin Wüst: Missbrauchsbetroffene sollten sich melden

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie aufgerufen, sich zu Wort zu melden. Es sei eine der wichtigsten kirchlichen Aufgaben, durch Missbrauchsskandale verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, sagte Wüst in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Speyer. Die Kirchenpräsidentin ist seit einem Jahr Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In dem Gremium beraten Betroffene und Kirchenvertreter gemeinsam über die Aufarbeitung und Konsequenzen von Missbrauchsfällen.

Betroffene von sexualisierter Gewalt könnten sich bei kirchlichen oder auch nicht-kirchlichen Anlaufstellen wie „help“ melden und ihre Ansprüche geltend machen, sagte Wüst. „Die Menschen finden offene Ohren in der Kirche“, betonte sie.

In der medialen Berichterstattung werde häufig der Eindruck erweckt, die evangelische Kirche gehe mit dem Thema Missbrauch intransparent um und fahre eine Vertuschungsstrategie, beklagte Wüst. Tatsächlich bemühe sich die evangelische Kirche ernsthaft darum, das Thema aufzuarbeiten und weitere Missbrauchsfälle zu verhindern. Beim Schutz der Menschen davor habe die Kirche allerdings in der Vergangenheit versagt, räumte die Kirchenpräsidentin ein.

Wüst sprach sich für staatliche Rahmenbedingungen für die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche aus. Für die Arbeit des Beteiligungsforums wäre dies eine Erleichterung. Mehr als 850 Missbrauchsfälle sind EKD-weit bekannt, die Dunkelziffer wird aber weitaus höher geschätzt.

Problematisch für die Aufarbeitung von Missbrauch ist es nach den Worten von Wüst, dass sich Betroffene scheuten, sich an die Kirche zu wenden, die als „Täterorganisation“ gesehen werde. Neben den finanziellen Anerkennungsleistungen für widerfahrenes Leid gebe es auch Beratungsangebote oder psychologische Begleitung innerhalb und außerhalb der Kirche.

Das vor eineinhalb Jahren gegründete Beteiligungsforum der EKD verfüge über „eine funktionierende Struktur, es ist ein Meilenstein“, sagte Wüst. Das Gremium mit neun Kirchenvertretern und acht Betroffenenvertretern entscheide bei der Aufarbeitung von Missbrauch und bei der Prävention gemeinsam.

Als Erfolg führte Wüst eine Gemeinsame Erklärung von Kirche und Diakonie mit der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Bundes, Kerstin Claus, an. In dem am 13. Dezember unterzeichneten Dokument verpflichten sich die EKD-Gliedkirchen, in neun regionalen Verbünden unabhängige Aufarbeitungskommissionen zu gründen, denen auch externe Expertinnen und Experten angehören sollen. Für die Pfalz und Baden solle es einen gemeinsamen Verbund geben.