Kirchenmusiker der rheinischen Kirche soll Mädchen missbraucht haben

Ein einschlägig vorbestrafter Chorleiter der Evangelischen Kirche im Rheinland soll in den 1960er und 1970er Jahren in Düsseldorf mindestens zwei minderjährige Mädchen sexuell missbraucht haben. Es sei aber von weiteren Betroffenen auszugehen, teilte der Kirchenkreis Düsseldorf am Donnerstag mit. Sie seien gebeten, sich zu melden, auch Zeugen würden gesucht. Die mutmaßlichen Taten seien offenbar vertuscht worden. Der Fall soll nun unter wissenschaftlicher Begleitung aufgearbeitet werden. In Absprache mit der rheinischen Landeskirche sowie den Kirchenkreisen Düsseldorf, Moers und Leverkusen wurde eine Steuerungsgruppe gegründet, die für Aufklärung sorgen soll.

Der 2019 gestorbene Beschuldigte war den Angaben zufolge in den frühen 60er Jahren verurteilt worden, weil er sich an Schulkindern vergangen hatte. Dennoch wurde der Kirchenmusiker von 1964 bis 1986 als Kantor und Chorleiter in den Kirchenkreisen Düsseldorf, Moers und Leverkusen eingesetzt. „Nach bisherigem Wissensstand besteht Anlass zu der Annahme, dass alle beteiligten kirchlichen Ebenen damals nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und so die weitere Beschäftigung des Kirchenmusikers im kirchlichen Dienst ermöglicht haben“, hieß es. Bei einer der beiden Betroffenen sollen die Übergriffe auch im Kirchenkreis Moers erfolgt sein.

Bereits im Jahr 2010 hatte es Hinweise einer Referentin an die Landeskirche gegeben, nachdem sich eine Betroffene der Übergriffe an sie gewandt hatte. Warum die Vorwürfe damals nicht weiter verfolgt wurden, sei ein wesentlicher Punkt der Aufarbeitung, betonte der Superintendent des Kirchenkreises Düsseldorf, Heinrich Fucks. Den Betroffenen sei „unfassbares Unrecht“ angetan worden. „Auch bei uns wurde weggeschaut, weil nicht sein konnte, was nicht sein darf. So wurde die Kirche ein weiteres Mal an den Betroffenen schuldig“, sagte Fucks, der selbst mit den beiden Betroffenen gesprochen hatte. Die anstehenden Nachforschungen seien für den Kirchenkreis ein „Präzedenzfall“.

Ans Licht kamen die Vorwürfe gegen den Kirchenmusiker erst im November vergangenen Jahres im Kirchenkreis Leverkusen – wenige Wochen, bevor ein unabhängiges Forscherteam die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie vorstellte. Damals habe es „Unstimmigkeiten“ darüber gegeben, warum der Kirchenmusiker trotz seiner einschlägigen Vorstrafe dort tätig war, sagte Fucks. Auch die Evangelische Landeskirche von Baden will den Angaben zufolge prüfen, ob der Mann dort sexualisierte Gewalt ausgeübt hat. Dorthin war der Kirchenmusiker aus dem Rheinland gewechselt und war noch bis 2012 haupt- und ehrenamtlich tätig.

Die wissenschaftliche Begleitung der Aufarbeitung solle helfen, das Geschehene „lückenlos nachvollziehen und verstehen“ zu können, sagte die Leiterin der Stabsstelle Prävention, Intervention und Ausarbeitung in der rheinischen Kirche, Katja Gillhausen. „Damit wir daraus lernen und unsere heutige Präventionsarbeit verbessern können.“ Bei der Meldestelle für sexualisierte Gewalt im Düsseldorfer Landeskirchenamt gingen laut Gillhausen zwischen dem Frühjahr 2021 und Juni 2024 insgesamt 108 Meldungen wegen mutmaßlicher Missbrauchsfälle ein. Als Anerkennungsleistungen für sexuelle Übergriffe wurden in der rheinischen Kirche bislang 540.000 Euro an 35 Betroffene ausgezahlt.