Kirchenglocken-Urteil: Gottes Zeit ist immer – auch um 3.15 Uhr

Anwohnerinnen und Anwohner sind oft genervt vom Glockengeläut. Unsere Autorin wohnt selbst zwischen zwei großen Kirchen und kennt das Problem. Sagen wir so: Schlimmer geht immer.

Für die einen ist es ein "sakraler Brauch" – und für andere "nerviges Gebimmel"
Für die einen ist es ein "sakraler Brauch" – und für andere "nerviges Gebimmel"epd-Bild / Jens Schulze

Wenn ich zu Hause aus dem Fenster schaue, erheben sich zwei imposante Kirchtürme vor mir. Völlig aus dem Häuschen und komplett naiv zog ich vor einigen Jahren in diese nette Maisonette-Wohnung in der Nähe von Frankfurt. Zentral gelegen, zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Der Ausblick auf dem Balkon: Zum Angeben schön! Wenn da nicht die Sache mit den Glocken wäre.

Ich fühle mit dem Mann aus dem niederbayerischen Landkreis Kelheim, der gegen das Zeitschlagen einer katholischen Pfarrkirche geklagt hatte. Für ihn sei das Läuten eine unzumutbare Lärmbelästigung, die bei ihm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte seine Klage vergangene Woche abgewiesen. Soll sich nicht so anstellen, der Typ.

Kein Verständnis für nächtliches Glockenläuten

Tagsüber hat das mit den Glocken ja so seine Vorteile: Wecker adé, kein Meeting wird mehr verpasst. Nur nachts hört meine Toleranz auf. Vorbei ist’s mit der Frömmigkeit, wenn ich mich gerade ins Bett gekuschelt habe, sanft in den ersten Traum gleite, um wenig später mit einem ohrenbetäubenden „Gong“ zurück in die Realität katapultiert zu werden.

Während die Glocken der evangelischen Kirche ganz im Sinne der Nächstenliebe für die schlafende Bevölkerung um 22 Uhr Feierabend haben, bimmeln die Katholiken fröhlich weiter. Alle Viertelstunde, die ganze Nacht. Neue Fenster? A: Mietwohnung, B: Schweineteuer. Ohrstöpsel? Äußerst unangenehm.

Lärmbelästigung gibt’s fast überall

Selbst der Versuch eines versöhnlichen Gesprächs mit dem Pfarrer brachte mir nur ein floskelhaftes „Gottes Zeit ist immer“ ein. Könnte ja jemand um 3.15 Uhr plötzlich hochschrecken, weil er das Beten vergessen hat.

So richtig dran gewöhnen können mein Mann und ich uns nicht ans nächtliche Glockenspiel. Trost finden wir im Gespräch mit Freunden, Kollegen und Bekannten, die von ratternden Zügen, tieffliegenden Flugzeugen, aufheulenden Motoren oder nie enden wollenden Baustellenlärm erzählen. Wie klein ist dagegen unser Leid.

Und spätestens an Weihnachten wird mir wieder warm ums Herz, wenn beide Kirchen am Abend festlich läuten, als gäbe es kein Morgen.