Kirchen-Experte: Querdenker-Demos haben weiter Zulauf

Nach den Worten eines kirchlichen Experten liegt die größte Gefahr für die offene Gesellschaft in der Politikverdrossenheit und dem Misstrauen. Darum hätten Querdenker-Demos weiterhin Zulauf.

Eine Querdenker-Demo im Dezember 2021
Eine Querdenker-Demo im Dezember 2021Imago / Michael Schick

Auch nach dem Ende der Corona-Maßnahmen haben Veranstaltungen der „Querdenker“ nach den Worten eines kirchlichen Experten weiter Zulauf. Die Akteure aus dem verschwörungsideologischen und esoterischen Milieu hätten sich an die neue Situation gut angepasst, sagte der Weltanschauungsbeauftragte der bayerischen Landeskirche, Matthias Pöhlmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Corona ist nicht mehr das Hauptthema, aber es sind neue Themen hinzugekommen“, führte der Theologe aus. Dies seien vor allem der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Inflation und allgemeine soziale Ängste.

Die Akteure griffen alle Themen auf, die die Menschen beschäftigten, vor allem Ängste und Befürchtungen. „Es geht darum, die Wunden in dieser Gesellschaft offenzuhalten, um Menschen für das eigene Anliegen anzusprechen“, sagte Pöhlmann. Das starke Misstrauen gegenüber der Regierung und den politischen Repräsentantinnen und Repräsentanten solle dadurch forciert werden.

Unmut äußern

Neben den Verschwörungsgläubigen ziehe das auch ganz normale Menschen an, die keinen ideologischen Überbau hätten. Diese sähen oft die einzige Möglichkeit, ihren Unmut zu äußern, in der Beteiligung an solchen Demonstrationen. „Oftmals wissen sie gar nicht, mit wem sie da zusammenlaufen oder sie wollen es nicht sehen“, sagte Pöhlmann. Insbesondere der Ukraine-Krieg trage viel dazu bei, auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft anzusprechen: „Viele Menschen haben Angst, dass sich dieser Krieg ausweitet.“

Politikverdrossenheit und Misstrauen

Die größte Gefahr für die offene Gesellschaft sieht Pöhlmann in der Politikverdrossenheit und dem Misstrauen. „Im Zusammenhang mit den Querdenker-Demos haben die Wissenschaftler von einer bunten Misstrauensgemeinschaft gesprochen.“ Krisenzeiten seien immer der ideale Nährboden für das Entstehen von Verschwörungstheorien und für die Pflege von bestimmten Feindbildern. „Das ist ja das Grundproblem von Verschwörungstheorien, dass sie Opfer fordern, weil sie stets einen Sündenbock konstruieren“, sagte Pöhlmann weiter.

Pöhlmann ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie Lehrbeauftragter für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2021 erschien sein Buch „Rechte Esoterik. Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen“.