Kirche hilft mit Seelsorge

Es ist der schlimmste Waldbrand in der Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern. Mehrere Orte sind evakuiert. Wie die Kirche vor Ort hilft – und selbst betroffen ist.

Feuerwehrleute verteilen Wasser in Alt Jabel, um die Wege feucht zu halten
Feuerwehrleute verteilen Wasser in Alt Jabel, um die Wege feucht zu haltenJens Büttner / dpa

Alt Jabel/Parchim. Von Entwarnung keine Spur: Noch immer lodert der größte Waldbrand in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommern auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Niedersachsen entfernt. Die Hitze der vergangenen Tage hatte die ohnehin schon vorhandene Trockenheit des leichten Sandbodens noch verschärft. Da reichte ein Funken, um den ausgedörrten Bodenbewuchs und den Kiefernbestand in helle Flammen zu setzen. Dazu kommt ein böiger Wind aus Nordwest, der immer wieder das Feuer anfacht und Ruß bis nach Berlin treibt. Verschärfend kommt die hohe Munitionsbelastung hinzu – die Löschmannschaften müssen aus der Entfernung von mindestens 1000 Meter Sicherheitsabstand den Brand bekämpfen.

Etwa 600 Hektar Wald stehen nach Angaben des Landrates von Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg, in Flammen. Ihm zufolge hat sich auch der Verdacht auf Brandstiftung erhärtet – die Polizei habe mehrere Brandstellen an einem Waldweg entdeckt. Mehr als 2000 Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte, viele davon im Ehrenamt, sind im Einsatz gegen die Flammen, davon 100 aus Schleswig-Holstein und 110 aus dem niedersächsischen Rothenburg an der Wümme. Weil der Katastrophenfall ausgerufen wurde, darf auch die Bundeswehr eingesetzt werden. Zwölf Wasserwerfer sind im Einsatz, ebenso acht Hubschrauber – bereitgestellt von Landes- und Bundespolizei sowie der Bundeswehr.

Ortspastor nicht zu erreichen

Drei der Heidedörfer rund um den ehemaligen Truppenübungsplatz wurden am Sonntag evakuiert: Jessenitz-Werk, Trebs und Alt Jabel mit zusammen etwa 550 Einwohnern. Am Montagabend traf es auch die 117 Bewohner von Volzrode. Das am meisten gefährdete Dorf ist Alt Jabel mit dem Pfarrsitz der Region, weil es am weitesten in das Waldgebiet hineinragt. Gleich hinter dem Pfarrgehöft von 1873 mit dem Pfarrhaus, einem kleinen Rüstzeitheim im ehemaligen Stall, einem Backofen und dem Lütt Museum in der Pfarrscheune mit Reetdach beginnt die Jabeler Heide. Auf dem Pfarrhofgelände befindet sich auch noch ein Kutter – der derzeit fast symbolisch nach Wasser zu schreien scheint.

Versuche, den Ortspastor Christoph Tuttas zu erreichen, scheitern. „Den werden Sie wohl auch kaum bekommen“, erklärt der für das Gebiet zuständige Propst Dirk Sauermann in Parchim, „der ist unterwegs bei den Evakuierten und bei den Einsatzkräften“. Doch der Propst weiß, dass die Situation gerade für den Pfarrhof sehr bedrohlich ist. Derzeit würde die Feuerwehr die Gebäude des Pfarrhofs mit Wasser besprühen. Er mache sich große Sorgen, denn „dieser Pfarrhof ist ein wichtiger Ort für unsere Propstei Parchim“ – vor allem als Zentrum für die regionale evangelische Kinder- und Jugendarbeit. So habe dort am Montag, dem ersten Ferientag in MV, dort eine Kinderfreizeit beginnen sollen, die Mitarbeiter hätten schon Material und Lebensmittel hingefahren.

Die Pfarrfamilie ist bei der Tochter in Ludwigslust untergekommen, erzählt der Propst – ebenso wie die meisten anderen Evakuierten, die bei Verwandten oder Freunden Unterschlupf gefunden haben. „Wir haben als Propstei dem Katastrophenstab Hilfe bei der Unterkunftsbeschaffung angeboten – aber die wird derzeit nicht benötigt“, erklärt der Propst. „Dagegen wird die seelsorgerliche Begleitung gern durch Bewohner und Hilfskräfte angenommen“, so Sauermann. Er habe diese explizit dem Krisenstab angeboten, der dankbar zugegriffen habe, denn eine organisierte Notfallhelfergruppe wie in anderen Gegenden gebe es hier nicht. Er schreibe gerade an die Mitarbeiter seiner Propstei, sich hier zu engagieren und Fürbitte zu halten.

Gebete für Regen

Gebete für das Wohl der betroffenen Einwohner, der Einsatzkräfte und um Regen hält auch die benachbarte Kirchengemeinde Lübtheen. „“Wir nehmen Anteil, wie es den Menschen geht“, erklärt Ortspastor Markus Holmer. Die Gemeinde habe zudem das geplante Jahresfest mit dem Pflegeheim Lobetal für Sonntag abgesagt. Es sei in der jetzigen Situation nicht angemessen, ein großes Fest zu feiern. Lübtheen sei derzeit nicht von dem Feuer bedroht, so Holmer. Betroffen seien allerdings andere Teile der Gemeinde. Die Situation sei sehr belastend. Seit Tagen würden die Menschen sehen, wie Feuerwehren durch den Ort fahren, Rauchwolken den Himmel bedecken und Hubschrauber im Einsatz sind. Es sei dramatisch, wenn Menschen ihre Häuser verlassen müssen und nicht wissen, was mit ihrem Hab und Gut passiert. „Das ist schon eine bedrückende Situation.“

Die Menschen in der Gemeinde beschäftigten sich angesichts der Evakuierung einzelner Dörfer auch mit der Frage, was sie selbst im Notfall mitnehmen würden. Pastor Holmer: „So einfach finde ich das gar nicht.“ Schließlich müsse alles in einen Koffer passen. „Was ist mir eigentlich wichtig, wenn es ernst wird?“ Er hoffe und bete aber, dass es nicht so weit komme. Aktuell sei er als Seelsorger noch nicht gefragt. Schwerpunkt sei derzeit der Einsatz der Hilfskräfte. Die Kirchengemeinde wolle allerdings ein deutliches Signal geben: „Wir stehen mit dabei und nicht nebenan.“