Kinodrama um eine Freundschaft am Ufer der Elbe

Eine vietnamesisch-stämmige traumatisierte Frau und eine hilfsbereite Studentin lernen sich in einer psychiatrischen Klinik kennen. Vor dem Hintergrund von Dresdens Skyline durchläuft ihre Freundschaft Veränderungen.

Nach einer Umweltaktion in Dresden wird die junge Alice (Lena Urzendowsky) wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu zwei Monaten Sozialdienst verurteilt. In einer psychiatrischen Klinik soll sie sich um die vietnamesisch-stämmige Cam (Kotti Yun) kümmern, die nach einem rassistischen Überfall traumatisiert ist und nicht mehr spricht. Alice weiß sich nicht anders zu helfen, als das Schweigen durch zahlreiche Fragen oder Vorschläge zur gemeinsamen Freizeitgestaltung zu durchbrechen. Doch die Fragen bleiben ohne Antwort, die Gesten ohne Reaktion.

Es dauert eine Weile, bis Cam sich öffnet und wieder zu sprechen beginnt. Allerdings will die junge Frau nicht mehr in der Klinik bleiben. Alice nimmt sie darum zu sich. Ihr Wohnung liegt in einem gutbürgerlichen, höher gelegenen Viertel von Dresden, von dem man einen schönen Blick auf die Elbe und die Stadt hat. Fast schon eine Idylle, die allerdings etwas Anstrengung verlangt: Mehrmals sieht man Alice und Cam dabei zu, wie sie keuchend ihre Fahrräder nach oben schieben. Sie lernen sich immer besser kennen; immer größer wird ihr gegenseitiges Verständnis. Doch das Verhältnis wandelt sich. So kritisiert Cam Alice wegen ihres Helfersyndroms scharf. Als Cam einer studentischen Theatergruppe beitritt, drohen sich ihre Wege zu trennen.

Der neue Film von Michael Klier, der zuletzt „Idioten der Familie“ (2018) drehte, entstand in enger Abstimmung mit den beiden Hauptdarstellerinnen Lena Urzendowsky und Kotti Yun, die ihre Dialoge mitunter improvisierten, aber auch Ideen für einzelne Szenen einbrachten. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Spontaneität und Natürlichkeit, die dem Film eine ganz eigene Aura verleiht. Fast hat man das Gefühl, die Kamera würde den jungen Frauen heimlich zusehen, wie sie miteinander reden, sich öffnen, aber auch Unterschiede ausmachen.

Die unmittelbare Beteiligung der Schauspielerinnen am Drehbuch, für das sie auch einen Autoren-Credit erhalten haben, wirkt sich positiv auf ihr Spiel aus: lebendig, direkt und doch auch mit anrührenden Momenten. Nicht von ungefähr probt Cam in der Theatergruppe „Sechs Personen suchen einen Autor“ von Luigi Pirandello, ein Stück, das keinen Regisseur mehr braucht, weil alle daran mitwirken. Die Figuren erschaffen sich selbst. Das ist auch mit Blick auf „Zwischen uns der Fluss“ ein schöner Gedanke.

Der Regisseur Michael Klier verhandelt ohne viel Aufhebens die Dinge des Lebens. Hier geht es um die Suche nach einem Platz im Leben, um den Umgang mit Traumata, um Freundschaft und ihre Herausforderungen, um das Wiedererkennen im jeweils anderen, um Trennungen und Abschiede, ums Erwachsenwerden also. Zwischendurch nimmt sich Klier immer wieder Zeit, um auf die Elbe zu blicken, manchmal offen und direkt, manchmal versteckt durch Lücken, die Geländer lassen, an Hauswänden vorbei, fast so, als wolle er sie nicht beim Fließen stören.

Die Skyline von Dresden erschließt die Kamera durch lange Schwenks, manchmal zoomt sie auch schnell heran, um Einzelheiten herauszustellen. Absurde Architekturpläne für die Elbwiesen, die eigentlich gegen Bebauung geschützt sind und für einige Jahre sogar Weltkulturerbe waren, sind als Zeichnungen in das Bild gefügt und wirken wie Fremdkörper. In Gesprächen mit ihrem Freund, einem Architekturstudenten, wehrt sich Alice auch gegen diese Zerstörung eines einmaligen Stadtpanoramas. Klier hat Dresden und die Elbe für das Kino neu entdeckt. „Zwischen uns der Fluss“ ist auch die Liebeserklärung an eine Stadt.