Keine Sklaven, keine Herren

Steht das tatsächlich in der Bibel? Das hat sich unser Autor Andreas Holzbauer gefragt, als er den Predigttext für den kommenden Sonntag studierte.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „So auch ihr!“ aus Lukas 17, 7-10
Geht es Ihnen auch so? Dass Sie über Bibelverse stolpern und sich fragen: Steht das tatsächlich in der Bibel?
So ist es mir mit Lukas 17, 7-10 passiert. Da besitzen Menschen Sklaven. Und es scheint okay zu sein, dass sie bis zum Letzten ausgebeutet werden. So scheint es jedenfalls.
Zunächst mal: Sklaverei war zur Zeit Jesu so gegenwärtig wie in unserer Gesellschaft die Scheinselbstständigkeit. Und nicht nur in den großen Fabriken in China, Indien und Bangladesch, wo die Schuhe mit den drei Streifen oder die Hosen für den Discounter mit den drei Buchstaben produziert werden, existiert bis heute Sklaverei.
Ich finde: Der Bibeltext spricht sehr realistisch von der Sklaverei, weil er die hemmungslose Ausbeutung der versklavten Menschen in den Vordergrund rückt.
So wirkt er verstörend. So verstörend, wie die ökonomische Realität, in der wir leben und die wir daher oft genug verdrängen, ist.
Verstörend wirkt er aber auch, weil der Text scheinbar keine Kritik an der Sklaverei übt.
Doch nur auf den ersten Blick. Denn von den Herren ist nicht die Rede. Warum eigentlich nicht? Die Antwort ist ganz einfach: Wir alle sind Sklaven. Auch die Sklaven­herren, die Profiteure der Sklaverei. Sie, die über Sklaven befehlen, sie sind selbst Sklaven. Anders gesagt: Sklaven und Herren sind Menschen. Keiner steht über dem anderen.
Jesu Worte zerstören von innen die Logik der Sklaverei. Sie sprechen die radikale Gleichheit aller Menschen aus.
Jesu Aufmerksamkeit richtet sich auf die Menschen, die unterdrückt und ausgebeutet werden. Mit ihnen identifiziert er sich.
Drei Kapitel zuvor findet sich bei Lukas Jesu erste Predigt. Sie beginnt mit folgenden Worten: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit.“
Keine Sklaven und keine Herren. Das soll gelten. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Unser Autor
Dr. Andreas Holzbauer
ist Pastor zur Anstellung der Martin Luther King-Kirchengemeinde in Hamburg-Steilshoop.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.