Kein Ruhmesblatt – Die katholische Kirche und der Sklavenhandel
Die Kirche auf der Seite der Entrechteten und Machtlosen – das Bild schmeichelt und gefällt. Beim transatlantischen Sklavenhandel entsprach es aber keinesfalls der Realität. Im Gegenteil.
Wer entlang der westafrikanischen Küste von Nigeria bis nach Senegal reist, kommt an vielen Orten vorbei, die an den transatlantischen Sklavenhandel erinnern: Am Strand von Ouidah in Benin steht das Monument Porte du Non-Retour, das Tor ohne Wiederkehr; im Süden Ghanas erwartet den Reisenden das Fort Elmina, das Militär- und Handelsstützpunkt wie Sklavenfort war; vor Senegals Hauptstadt Dakar auf der Insel Goree mahnt das Haus der Sklaven aus dem Jahr 1776 an die grausame Ära.
Schätzungen zufolge wurden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert mehr als 12 Millionen Frauen und Männer, die vorwiegend aus West- und Zentralafrika stammten, nach Süd- und Nordamerika versklavt. Zunächst waren sie meist Gefangene lokaler Herrscher und wurden dann beispielsweise gegen Waffen und Stoffe getauscht oder verkauft. Die Überfahrten nach Süd- und Nordamerika dauerten mitunter zwei Monate. Aufgrund der katastrophalen Bedingungen überlebten viele nicht.
Daran beteiligt waren europäische Mächte wie Großbritannien, die Niederlande, Portugal, Dänemark, aber auch Brandenburg-Preußen. Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg entstanden 1682 die Afrikanische Compagnie und wenig später im heutigen Ghana die Festung Groß Friedrichsburg, die seit 1979 Teil des Welterbes der Unesco ist. Brandenburg-Preußen war an der Verschleppung von 33.000 Menschen beteiligt.
Eine aktive Rolle hat auch die katholische Kirche gespielt, worüber bisher höchst ungern gesprochen wurde. “Das falsche Narrativ war, dass die Bischöfe, die die Sklaverei guthießen, damit gegen Rom und die Lehre der Kirche verstießen”, berichtet Priester Christopher Kellerman über die erste Zeit, als er mit seiner Forschungsarbeit begann.
Doch Kellerman, der bei der Jesuitenkonferenz von Kanada und den Vereinigten Staaten für den Arbeitsbereich Gerechtigkeit und Ökologie verantwortlich ist, kam zu anderen Ergebnissen, die er mittlerweile in einem Buch veröffentlicht hat. Seinen Forschungen zufolge wurde Sklaverei lange von der Kirche akzeptiert.
So erlaubte im Jahr 1452 Papst Nikolaus V. mit der Bulle “Dum Diversas” den Sklavenhandel. Die Jesuiten besaßen beispielsweise im Jahr 1760 nach Forschungen des Historikers Andrew Dial weltweit mehr als 20.000 Sklaven. Kritische Gegenstimmen wurden verboten. Gegen Sklaverei sprachen sich etwa im 17. Jahrhundert Kapuzinermönche aus. “Sie wurden von ihrem örtlichen Bischof bestraft, weil sie sich dem atlantischen Sklavenhandel widersetzten”, so Kellerman.
Vor allem nach den Anti-Sklaverei-Dokumenten von Papst Gregor XVI. (1831-1846) und Papst Leo XIII. (1878-1903) sei das Narrativ entstanden, dass die Kirche immer schon gegen die Sklaverei war, sagt Kellerman. Er kritisiert diese Sichtweise, zieht Parallelen zu den Missbrauchsskandalen und betont, dass auch Sklaverei Missbrauch war. “Wir müssen ehrlich sein, auch wenn es eine schmerzhafte Geschichte ist. Niemand will das über seine Kirche hören, aber wie bei allen Missbrauchssituationen müssen wir ehrlich sein.”
Das Thema muss debattiert werden, fordert auch Jörg Lüer, Historiker und Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax in Berlin. Ein Anfang habe eine Konferenz in Ghana mit Teilnehmern aus Afrika, Amerika und Europa gemacht. “Wir haben nicht nur daneben gestanden. Als katholische Kirche sind wir Teil des Ganzen gewesen”, sagt auch Lüer. Ziel sei es, Reflexionen über die Rolle der katholischen Kirche in der Sklaverei voranzubringen.
Mit Kardinal Michael Czerny, Präfekt der vatikanischen Entwicklungsbehörde, habe man im Vatikan einen Unterstützer. Zu Beginn der Weltsynode habe er sich im Schuldbekenntnis zu den Verstrickungen in Sklaverei und Kolonialismus geäußert. “Wir brauchen früher oder später aber ein entsprechendes Schuldeingeständnis aus dem Munde des Papstes”, meint Lüer.
Wichtig seien jedoch auch Auseinandersetzung und Aufarbeitung. Die Verantwortung für Orte, die mit Sklaverei in Verbindung stehen, sollte, so Lüer, gemeinsam getragen werden; von heutigen Bewohnern, den Rechtsnachfolgern der ehemaligen Sklavenhändlern sowie den Nachfahren der Versklavten. “Junge Menschen können dabei eine wichtige Rolle spielen.”